Vertragsreue nach Anbieterwechsel

Der Anbieter Z kontaktierte Herrn X zur Mittagszeit und umwarb ihn als Neukunde. In der Hektik stimmte Herr X dem Angebot zu und verpflichtete sich zum Wechsel des Telefonanbieters für Gespräche. Nach Erhalt der ersten Gebührenrechnung lehnte der Kunde jegliche Zahlungen ab und begründete dies damit, dass kein Vertrag mit dem Anbieter Z bestehe. Der Ombudsmann prüfte das Zustandekommen des mündlichen Vertrages. Bereuen Konsumenten später einen Vertragsabschluss, ist das Kaufmotiv getreu dem Grundsatz »Verträge müssen gehalten werden«, unbeachtlich.

SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

Mit Eingabe vom 28. Januar 2014 reichte X ein Begehren um Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ein. Der Ombudsmann prüfte diese Eingabe samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte eine Stellungnahme vom betroffenen Anbieter an. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen kann der Ombudsmann einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten.

Der vorliegende Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente des Kunden als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.

1. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN

Dem Schlichtungsbegehren von X wird Folgendes entnommen:

»Am 19. Juli 2013 hatte ich um 12Uhr 30 einen Telefonanruf, ich war im Stress und hatte kaum Zeit zum Essen. Der Anrufer fragte, ob ich günstig telefonieren möchte - ich sei ja S AG-Kunde, denn Z GmbH rechne diese Kunden sehr günstig ab. Er forderte mich auf, ein paar Angaben auf Band zu sprechen. In der Hektik war ich einverstanden dachte aber dass dies für mich keine Folgen hätte, da ich SC- Kunde bin. Bei Erhalt der ersten Rechnung habe ich umgehend Z GmbH informiert, dass ich nicht S AG- Kunde sei und sie mich nicht länger belästigen sollten. Eine Antwort blieb aus, weitere Rechnungen folgten die ich nicht beglich. Am Anfang 2014 wurde mein Anschluss ohne Mitteilung gesperrt.«

2. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS

Der Stellungnahme von Z GmbH wird Folgendes entnommen:

»19.7.2013 mündliche Anmeldung für den Tarifplan 12/12. Mindestvertragsdauer 24 Monate. Bearbeitungsgebühr von CHF 200.- bei vorzeitiger Kündigung

22.07.2013 Versand Willkommensbrief

30.07.2013 Versand 2. Willkommensbrief mit SIM-Karte

05.09.2013 Versand Augustrechnung 2013

24.09.2013 Erhalt Schreiben des Kunden, Vertragskopie wurde am 30.09.13 gesendet

08.10.2013 Versand Septemberrechnung 2013

08.11.2013 Versand Oktoberrechnung 2013

20.11.2013 Mahnung

10.12.2013 Versand Novemberrechnung 2013

08.12.2013 2. Mahnung

18.12.2013 3. Mahnung

07.01.2014 Mussten wir die Telefonleitung abstellen und den Vertrag künden, da der Kunde den Zahlungsaufforderungen nicht nachgekommen ist

10.01.2014 Versand Dezemberrechnung 2013

20.01.2014 Letzte Mahnung

Stellungnahme/Verhandlungsbasis Provider:

Wir bestehen auf unserer Forderung.«

3. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN

Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann ombudscom als Schlichtungsstelle bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements von ombudscom geregelt: Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.

Mit eingeschriebenem Brief vom 23. September 2013 schreibt Herr X an Z GmbH, dass er keine Dienstleistung von Z GmbH beziehe. Er bitte keine Rechnungen mehr zu schicken. Da Herr X innert Frist keine Antwort von Z GmbH erhielt, ist der Einigungsversuch gescheitert.

X hat seinen Versuch zur Einigung mit Z GmbH glaubhaft dargelegt. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.

4. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNS

A. Preselection-Antrag

Herr X bringt vor, der Verkäufer habe ihn am Telefon überrumpelt. Der Anruf sei zu einem unpassenden Zeitpunkt erfolgt. Er habe dem Angebot in der Annahme zugestimmt, das Ganze bleibe folgenlos. Der Kunde telefonierte nicht mit S AG, sondern über SC AG. Er forderte Z GmbH daher auf, ihn nicht weiter zu belästigen.

Der Ombudsmann hat zunächst zu prüfen, ob zwischen den Parteien ein gültiger Abonnementsvertrag für den Festnetzanschluss zustande kam. Z GmbH stellte dem Ombudsmann eine Teilaufzeichnung des mündlichen Vertragsabschlusses zur Verfügung. Das Beratungsgespräch fehlt hingegen, womit der Aufzeichnung nur eingeschränkte Bedeutung zukommt. Damit Konsumenten einen mündlichen Preselection- Vertrag leichter anfechten können, sind alle Anbieter dazu verpflichtet, im Streitfall und auf Anforderung innerhalb von zehn Tagen den Beweis für den Preselection-Antrag zu erbringen. Der Antrag setzt sich aus dem sogenannten TPV (mündlicher Vertrag) und dem geschäftlichen Gespräch (vorgängige Beratung und Information) zusammen. Es ist erforderlich, dass der Anbieter das gesamte Telefongespräch mit dem Kunden aufzeichnet. Andernfalls muss der Anbieter alle nötigen Massnahmen ergreifen, um den ursprünglichen Preselection-Zustand des betreffenden Anschlusses wieder herzustellen (vgl. Ziff. 4.3 Anhang 2 der Verordnung der Eidgenössischen Kommunikationskommission vom 17. November 1997 betreffend das Fernmeldegesetz (SR 784.101.112/2)). Die Erbringlichkeit der Gesprächsaufnahme ist zudem eine Voraussetzung, damit Z GmbH der Ursprungsdienstanbieterin (hier Swisscom) einen Preselection-Auftrag erteilen darf (Ziff. 4.1 Anhang 2 der Verordnung der Eidgenössischen Kommunikationskommission vom 17. November 1997 betreffend das Fernmeldegesetz (SR 784.101.112/2)).

Der Ombudsmann vermutet, dass Z GmbH nicht über die Aufzeichnung des Geschäftsgespräches verfügt. Andernfalls wäre dies dem Ombudsmann ebenso zur Verfügung gestellt worden. Daraus kann gefolgert werden, dass der Anbieter auch dem Kunden nicht die komplette Aufzeichnung des Preselection-Antrages herausgeben könnte. Damit würde Z GmbH gegen die ComCom-Verordnung verstossen. Diese Verfehlung bleibt jedoch ohne Einfluss auf die zivilrechtliche Seite der Streitsache.

B. Abonnementsvertrag

Ob der mündliche Vertrag gültig zustande gekommen ist, bemisst sich nach den allgemeinen Regeln zum Vertragschluss. Entscheidend ist dabei der gegenseitig übereinstimmende Parteiwillen und das Vorliegen eines minimalen Vertragsinhaltes. Zur Beantwortung dieser Frage wäre die Aufzeichnung des Geschäftsgespräch erforderlich. Die Schilderung des Kunden zum Telefonanruf enthält Anhaltspunkte, dass sich bei der Willensbildung möglicherweise Missverständnisse ergaben. Auch wenn Herr X in das Angebot mündlich einwilligte, tat er dies massgeblich auf Basis der erhaltenen Informationen über den Verkaufsberater von Z GmbH. Unterlag der Kunde in einem wichtigen Vertragspunkt einer Fehlvorstellung, könnte der Vertrag anfechtbar sein. Der Beweis über den gültigen Vertrag obliegt derjenigen Partei, welche daraus Forderungen ableitet. Der Ombudsmann kann aufgrund der nur teilweise vorliegenden Informationen zur Vertragsentstehung keine abschliessende Beurteilung zur Gültigkeit des Vertrages bzw. dessen Anfechtbarkeit abgegeben

C. Ausgebliebener Widerspruch

Hinweise bei offenen Fragen zur Gültigkeit eines Vertrages liefert auch das Verhalten der betroffenen Parteien. Vorliegend scheint dem Ombudsmann Folgendes bedeutsam: Ein paar Tage nach dem Telefonat erhielt Herr X bereits den Willkommensbrief von Z GmbH. Daraus war ersichtlich, dass sich der Kunde bei einem eigenständigen Telefonanbieter verpflichtete und Gespräche von diesem in Rechnung gestellt werden. Herr X musste und konnte aus dem Schreiben (Titel: “Ihre Anmeldung bei Z GmbH”) schliessen, dass er Änderungen bei seinem Telefonanschluss eingeleitet hatte. Ende Juli 2013 erhielt Herr X ein weiteres Schreiben mit einem Willkommensgeschenk von Z GmbH. Auf dieses Schreiben des Anbieters reagierte Herr X ebenso wenig. Die Passivität des Kunden ist nicht erklärlich, wenn er doch später vorbringt, der Anbieterwechsel habe nicht seinem Wunsch entsprochen.

Herr X reagierte erstmals rund 20 Tage nach Erhalt der ersten Gebührenrechnung (23. September 2013), also über zwei Monate nach dem mündlichen Vertragsschluss. Er brachte vor, der Bezug von Dienstleistungen von Z GmbH sei ihm nicht bekannt. Mit der Begründung er telefoniere über den Anbieter SC, lehnte er die Bezahlung ab. Aus Sicht des Ombudsmanns erscheint diese Argumentation nicht schlüssig. Für Herrn X musste und konnte sich aus den schriftlichen Unterlagen erschliessen, dass er sich bei einem anderen Anbieter verpflichtete. Wäre der Kunde bei Telefonat einem Irrtum erlegen, so hätte er dies nach Erhalt der Anmeldebestätigung umgehend gegenüber Z GmbH erklären müssen. So bleibt der Eindruck, dass Herr X die via Telefon getätigte Anmeldung beim Anbieter erst bedauerte, als er die erste Gebührenrechnung erhielt. Vertragsreue ist jedoch kein gültiger Grund für eine bedingungslose Auflösung eine Vertrages. Aus Sicht des Ombudsmanns hätte Herr X spätestens nach Erhalt der schriftlichen Unterlagen des Anbieters reagieren - und seine Einwände gegen die Anmeldung bzw. den abgeschlossenen Abonnementsvertrag vorbringen müssen.

D. Bemessung der Kündigungsgebühren

Im vorliegenden Fall sind dem Anbieter Aufwände entstanden. Während rund fünf Monaten nutzte der Kunde die Dienstleistungen von Z GmbH. Der Abonnementsvertrag sah im Falle einer vorzeitigen Kündigung bzw. bei vorzeitigem Anbieterwechsel eine Bearbeitungsgebühr von CHF 200.00 vor. Der Betrag entspricht in etwa dem Total der vertraglich vereinbarten Monatsgebühren (CHF 9.90) für die 24 Monate dauernde Mindestlaufzeit. Auf diese Summe wurde Herr X im mündlichen Vertragsabschluss klar hingewiesen. Der Kunde bestätigte bei der Anmeldung, diese Information zur Kenntnis genommen zu haben.

Aus Sicht des Ombudsmanns ist es vertretbar, dass der Anbieter bei Nichterfülllung des Vertrages die entgangenen Gebühren pauschal vom Kunden verlangt. Die Gebühr von CHF 200.00 erscheint mit Blick auf die Summe aller Monatsgebühren für die Mindestvertragsdauer nicht als unverhältnismässig. Allerdings sollte die Kündigungspauschale fairerweise pro rata berechnet werden. Der Anbieter würde sonst neben den Kündigungsgebühren auch Abonnements- und Nutzungsgebühren für den gleichen Zeitraum verlangen. Nach dem Verständnis des Ombudsmanns dienen Kündigungsgebühren als Kompensation für entgangene Abonnementsgebühren. Folgedessen kann der Anbieter nicht beides verlangen. Z GmbH sollte die Kündigungspauschale daher auf CHF 150.00 reduzieren. Im Gegenzug sollte Herr X die Abonnements- und Nutzungsgebühren an Z GmbH bezahlen. Folgende Abonnementsrechnungen sind noch unbezahlt:

  • Rechnung August 2013 CHF 28.35
  • Rechnung September 2013 CHF 25.60
  • Rechnung Oktober 2013 CHF 23.40
  • Rechnung November 2013 CHF 34.70
  • Rechnung Dezember 2013 CHF 37.80 Totalbetrag CHF 143.85

E. Ergebnis

Die dem Ombudsmann vorliegenden Informationen weisen eher darauf hin, dass zwischen Z GmbH und Herrn X ein gültiger Abonnementsvertrag für die Gesprächsverrechnung (Preselection) zustande kam. Durch Nichtbezahlung der Abonnementsgebühren wurde der Kunde vertragsbrüchig. Die Vereinbarung zwischen den Parteien sah für diesen Fall vor, dass Z GmbH Bearbeitungsgebühren über CHF 200.00 verlangen kann. Aus Sicht des Ombudsmanns sind beim Anbieter - mit Ausnahme der Höhe der Abschlussforderung und dem fehlenden Geschäftsgespräch - keine Fehler festzustellen. Die Dienstleistungen standen dem Kunden zur Verfügung und wurden wissentlich bis zur Deaktivierung im Januar 2014 genutzt. Der ausserterminliche Wechsel zu einem anderen Anbieter entlastet den Kunden nicht von seinen eingegangenen Verpflichtungen bei Z GmbH. Daher wird Herrn X empfohlen, die offene Gesamtforderung über CHF 293.85 an den Anbieter zu bezahlen. Der Ombudsmann hofft mit der vorliegenden Einschätzung dazu beizutragen, dass sich die Parteien mit der nachfolgenden Lösung einvernehmlich einigen können.

5. SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

  1. Z GmbH stellt Herrn X innert 20 Tagen nach Erhalt der schriftlichen Bestätigung über die erfolgreiche Schlichtung eine Abschlussrechnung in Höhe von CHF 293.85 mit dazugehörigem Einzahlungsschein zu.
  2. Herr X bezahlt die Rechnung in Höhe von CHF 293.85 innert 10 Tagen nach Erhalt des Einzahlungsscheins an Z GmbH.

  3. Mit Bezahlung der Summe unter Ziffer 2 erklären sich die Parteien per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt.

  4. Dieser Schlichtungsvorschlag wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.

Bern, 18. Februar 2014

Dr. Oliver Sidler
Ombudsmann

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