Nachschieben von Nutzungsrichtlinien

Kunde X zieht im Jahr 2018 ins Ausland und will seinen Abonnementsvertrag vorzeitig kündigen. Anbieter Y verwehrt ihm die Kündigung ohne Kostenfolge, weil die Dienste von Anbieter Y ja auch im Ausland genutzt werden können. Kunde X schliesst daher das Abonnement „AB“ mit einer Mindestvertragsdauer von 24 Monaten ab und nutzt dieses fortan im Ausland. Im Januar 2020 verlängert er sein Abonnement um weitere 24 Monate. Im September 2020 kündigt Anbieter Y den Vertrag infolge überwiegender Nutzung der Dienste im Ausland und beruft sich auf die AGB und die Nutzungsrichtlinien. Vorliegend kommt der Ombudsmann zum Schluss, dass die im Jahr 2020 eingeführten Nutzungsrichtlinien nicht Bestandteil des Vertrags bildeten und diese somit eine einseitige Vertragsänderung darstellten. Der Anbieter Y hätte dem Kunden X somit über die Einführung der Nutzungsrichtlinien informieren und ihm ein vorzeitiges Kündigungsrecht einräumen müssen.

SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

Am 22. Oktober 2020 leitete der Ombudsmann ein Schlichtungsverfahren zwischen den Parteien ein. In diesem Zusammenhang prüfte er die Eingabe des Kunden samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte beim betroffenen Anbieter eine Stellungnahme ein. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen unterbreitet der Ombudsmann den vorliegenden Schlichtungsvorschlag.

Der Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente des Kunden als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.

A. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN

Dem Schlichtungsbegehren von Kunde X wird Folgendes entnommen:

„Ich bin im März 2018 nach Deutschland gezogen und wollte deshalb mein Abo bei Anbieter Y kündigen. Anbieter Y kam einer entsprechenden Anfrage nicht nach, sondern verwies darauf, dass die Firma auch Europa-Abos anbietet. Ich hätte somit zwei Möglichkeiten: Entweder das Europa-Abo zu lösen oder mehrere hundert Franken zu bezahlen, um mich aus dem Vertrag freizukaufen. Ich entschied mich für das Europa-Abo.

In den folgenden Monaten gab es mehrfach komische SMS, mit denen ich zu Nachzahlungen von Ausland-Daten aufgefordert wurde. Wie sich dann herausstellte, waren diese von Anbieter Y irrtümlich verschickt worden. Ansonsten war ich mit dem Abo zufrieden und es gab keinerlei Nachrichten von Anbieter Y, dass etwas mit meiner Nutzung nicht in Ordnung sei. Vielmehr wurde ich im Januar 2020 auf die Möglichkeit zu einer Vertragsverlängerung aufmerksam gemacht. Da nun alle deutschen Bekannten eh diese Nummer hatten und ich sie auch im beruflichen Verkehr weitergegeben hatte, beschloss ich, diese Verlängerung zu machen.

Am 10. September 2020 schreibt mir nun Anbieter Y, ich würde gegen die Vertragsbedingungen verstossen und das Abo werde per 10.11.2020 auf ein Pre-Paid-Abo umgewandelt. Das ist nun überhaupt nicht in meinem Sinn, eben weil die Leute diese Nummer von mir haben und ich mit einem Pre-Paid-Abo nicht sinnvoll im Ausland telefonieren kann. Ich habe zurückgeschrieben, auf welchen Passus im Vertrag sich die Kündigung bezieht und wollte auch vor allem wissen, weshalb mir Anbieter Y ein Abo zum Gebrauch im Ausland trotz ursprünglich anderer Anliegen meinerseits aufdrängt, nur um es nach zweieinhalb Jahren und der Verlängerung durch Anbieter Y unter der immer gleichen Nutzung plötzlich zu kündigen.



Ziel: Anbieter Y muss darlegen, weshalb man mir ein Abo zu einer Nutzung aufdrängt, die angeblich verboten sei, d.h. weshalb man mir 2018 dieses Abo ausdrücklich zu dem Zweck verkauft, der jetzt Grund für die Kündigung sein soll. Es muss also begründet werden, worin diese Fehlnutzung besteht, wo sie als Fehlnutzung im Vertrag ausgewiesen wird und weshalb man nach zweieinhalb Jahren plötzlich diese Kündigung ausspricht, nachdem diese Nutzung seit Frühling 2018 besteht. 



Wird dies nicht entsprechend belegt, fallen mir zwei Lösungen ein:



a) Rücknahme der Kündigung inklusive Vergütung der entstandenen Telefon/Reklamationskosten. Ich habe Anbieter Y um eine Sistierung der Kündigung bis zur Lösung der Frage gebeten. Wird diese nicht gewährt und mein Abo per 10.11. in ein Pre-Paid-Angebot umgewandelt, so werde ich Anbieter Y entstehende Mehrkosten in Rechnung stellen.



b) Anbieter Y bezahlt die Strafzahlung, die im Vertrag für den Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung vorgesehen ist.“

B. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS

Der Stellungnahme von Anbieter Y wird Folgendes entnommen:



„Am 2. Februar 2018 hat Kunde X seinen Vertag mit dem Abonnement „AB“ verlängert. Zu diesem Zeitpunkt gab es die aktuellen Nutzungsrichtlinien noch nicht. Deshalb hatte er im Februar 2018 nicht die Möglichkeiten seinen Vertrag vorzeitig ohne Kosten zu annullieren.
Durch die erneute Vertragsverlängerung um weitere 24 Monate vom 28. Januar 2020 mit dem Abonnement AB hat er die aktuellen Nutzungsrichtlinien akzeptiert. Des Weiteren ist es Anbieter Y unerklärlich wieso der Kunde den Vertrag nochmals verlängert hat, wenn er ihn doch bereits vorher annullieren wollte.
Anhand der Nutzung von der Nummer 07x xxx xx xx in den letzten 6 Monaten hat Anbieter Y am 10. September 2020 den Kontakt mit ihm aufgenommen und ihn informiert, dass eine überwiegende Nutzung im Ausland stattgefunden hat. In den letzten 6 Monate wurde die Nummer nur auf einer Rechnung in der Schweiz verwendet, siehe Beilage.
Weniger als 5 % von der Nutzung von der Nummer 07x xxx xx xx wurde in der Schweiz getätigt.
Dies verstösst gegen unsere Nutzungsbedingungen: https://xxxx vor allem gegen den letzten aufgelisteten Punkt: Überwiegende Nutzung der Dienste im Ausland, deshalb wird sein Vertrag mit einer Kündigungsfrist von 60 Tagen annulliert und seine Nummer auf Prepay migriert.
Hierbei beziehen wir uns auf Punkt 6 unserer AGB's: Anbieter Y darf alle SIM-Karten, die in einer Weise verwendet werden, die nicht ausdrücklich im Vertrag vorgesehen ist, sofort deaktivieren, ohne entschädigungspflichtig zu werden.



Anbieter Y hat Kunde X genügend Zeit gegeben eine alternative Lösung zu finden, daher halten wir an der Kündigung seines Vertrages fest.
Der Vertrag von der Nummer 07x xxx xx xx wird erst auf den 30. November 2020, anstatt auf den 10. November 2020 annulliert und die Nummer auf Prepay migriert. So gewähren wir ihm weitere 20 Tage eine alternative Lösung zu finden.
Anbieter Y gibt Kunde X auch die Möglichkeit per sofort oder vor dem 30. November 2020 den Vertrag kostenlos zu annullieren und seine Nummer 07x xxx xx xx zu einem anderen Anbieter zu portieren.“

C. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN

Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann die Schlichtungsstelle für Kommunikation bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements der Schlichtungsstelle für Kommunikation geregelt: 


Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.



Die Schlichtungsstelle prüfte die eingereichten Unterlagen samt Rechnungen und Verbindungsnachweise – sofern vorhanden – und konnte keine offensichtliche Missbräuchlichkeit gemäss Art. 45 Abs. 2 FDV feststellen. 



Anbieter Y informiert den Kunden am 10. September 2020, dass er gegen die Vertragsbedingungen verstossen würde und sein Abonnement am 10. November 2020 in ein Prepaid umgewandelt werde. 



Kunde X teilt dem Anbieter daraufhin mit, dass dies nicht in seinem Interesse sei und erkundigt sich, auf welche Vertragsbestimmung sich Anbieter Y berufe. Auch möchte er wissen, weshalb ihm Anbieter Y diesen Vertrag für den Gebrauch im Ausland überhaupt empfohlen habe, wenn nun ein Vertragsverstoss vorliegen soll.



Anbieter Y bedauert mit E-Mail vom 15. September 2020 die Unannehmlichkeiten, zumal Kunde X ein Ausland-Abonnement angeboten worden sei, als er die Schweiz verlassen habe. Dennoch sehe man nicht von der Migration auf Prepaid ab. Die überwiegende Nutzung des Schweizer Abonnements finde im Ausland statt, was gemäss den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und den Nutzungsrichtlinien nicht gestattet sei. 



Kunde X teilt gleichentags mit, dass er keine Bestimmungen finden könne und bittet den Anbieter um Angabe der entsprechenden Ziffern. 



Mit E-Mail vom 22. September 2020 erinnert der Kunde an seine E-Mail vom 15. September 2020 und die ausstehende Antwort von Anbieter Y. 



Am Folgetag entschuldigt sich Anbieter Y für die lange Wartezeit. Sein Unmut sei nachvollziehbar. Anbieter Y beziehe sich auf Ziffer 2 der AGB und die unter dem nachfolgenden Link abrufbaren Bestimmungen zur normalen Nutzung: https://www.xxx. Die Umstellung auf Prepaid erfolge wie angekündigt am 10. November 2020.



Kunde X wiederholt mit E-Mail vom 23. September 2020, dass er vor seinem Auslandaufenthalt sein Abonnement habe kündigen wollen. Dabei habe man ihn nicht aus seinem Vertrag entlassen wollen, da er die Dienste ja auch im Ausland nutzen könne. Er frage sich nun also, weshalb eine Nutzung im Ausland zwei Jahre nach Vertragsschluss auf einmal verboten sein sollte. Das sei nicht nachvollziehbar. 



Anbieter Y teilt dem Kunden mit E-Mail vom 24. September 2020 mit, dass er sein Abonnement am 2. Februar 2018 verlängert habe. Das Abonnement sei im Januar 2020 erneut verlängert worden. Seither seien keine Kündigungen mehr gemeldet worden. Die überwiegende Nutzung finde im Ausland statt, was nicht erlaubt sei. Die Vertragsauflösung sei somit gerechtfertigt und könne nicht widerrufen werden. 



Kunde X fragt Anbieter Y gleichentags per E-Mail, weshalb der Vertrag im Januar 2020 verlängert worden sei, wenn er doch seit Februar 2018 angeblich gegen die Nutzungsbedingungen verstosse. Ausserdem will er wissen, ob die Nutzungsbedingungen laufend angepasst werden. 



Mit E-Mail vom 25. September 2020 teilt Anbieter Y mit, dass die Nutzungsbedingungen seit Jahren festgelegt seien. Die überwiegende Nutzung im Ausland habe im 2020 in extremem Masse zugenommen. Daher erfolge die Kündigung. 



Gleichentags möchte Kunde X wissen, wann der Passus mit der Auslandnutzung in die Nutzungsbedingungen aufgenommen worden sei. Er sei überzeugt, dass dieser bei Vertragsschluss noch nicht gegolten habe.



Anbieter Y teilt mit E-Mail vom 28. September 2020 mit, dass der Kunde dem Vertrag entnehmen könne, dass die Nutzungsbestimmungen schon damals festgelegt gewesen seien. Ein genaues Datum der Einführung könne ihm nicht mitgeteilt werden. 



Kunde X hält mit E-Mail vom 28. September 2020 nochmals fest, dass vertraglich nichts dergleichen vereinbart worden und die Kündigung somit nicht gültig sei.

Anbieter Y teilt mit E-Mail vom 5. Oktober 2020 mit, dass dem Vertrag die AGB beigefügt gewesen seien. Diesen müsse gemeinsam mit dem Vertrag zugestimmt werden. Ziffer 2 sehe vor, dass die Dienste ausschliesslich für den normalen Gebrauch bestimmt seien. Ziffer 6 sehe vor, dass Anbieter Y die SIM-Karte deaktivieren können, wenn diese nicht vertragskonform genutzt würden. 



Daraufhin verweist Kunde X darauf, dass den erwähnten Ziffern kein Wort über die Nutzung im Ausland zu entnehmen sei. Er habe den Vertrag infolge Wegzugs aus der Schweiz kündigen wollen und habe auf Drängen von Anbieter Y diesen verlängert, weil die Dienste gemäss Anbieter Y ja auch im Ausland bezogen werden können. Anbieter Y solle die Kündigung zurücknehmen. 



Mit E-Mail vom 7. Oktober 2020 teilt Anbieter Y mit, dass der Unmut des Kunden nachvollziehbar sei. Dennoch halte Anbieter Y an der Kündigung fest. Es seien dem Kunden X bereits alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt worden. Dies sei die abschliessende Stellungnahme von Anbieter Y.



Kunde X hat seinen Versuch zur Einigung mit Anbieter Y somit glaubhaft dargelegt. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.

D. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNS

1. Ausgangslage und Problemstellung

Im vorliegenden Schlichtungsverfahren geht es um die Frage, ob Anbieter Y befugt ist, den Vertrag „AB“ der Rufnummer 07x xxx xx xx per 30. November 2020 wegen überwiegender Nutzung der Dienste im Ausland zu kündigen und die Rufnummer in ein Prepaid-Abonnement umzuwandeln. 



Der Ombudsmann prüft die Sach- und Rechtslage und stellt den Parteien einen Lösungsvorschlag zu.

2. Sachverhalt

Kunde X wollte im Februar 2018 seinen Vertrag wegen Wegzugs ins Ausland kündigen. Die vorzeitige Kündigung ohne Kostenfolge wurde ihm verwehrt, da ja die Dienste auch im Ausland genutzt werden konnten. Ihm wurden zwei Möglichkeiten eingeräumt: Abschluss eines neuen Vertrags über das Abonnement „AB“ für 24 Monate oder vorzeitige Kündigung mit Bezahlung der Kündigungsgebühr. Kunde X entschied sich daraufhin für das Abonnement „AB“ und nutzte die Dienste von Anbieter Y seither vorwiegend im Ausland.
Am 28. Januar 2020 verlängerte der Kunde telefonisch den Vertrag „AB“ um weitere 24 Monate, um erneut von einem Rabatt von CHF 30.- profitieren zu können. Am 10. September 2020 wurde Kunde X von Anbieter Y informiert, dass sein Abonnement infolge überwiegender Nutzung im Ausland per 10. November 2020 in ein Prepaid umgewandelt werde. Anbieter Y stützte sich hierbei auf Ziffer 2 und 6 AGB sowie die Nutzungsrichtlinien, welche die „normale“ Nutzung definieren würden. Die Nutzungsrichtlinien seien beim Verlassen der Schweiz im Februar 2018 noch nicht in Kraft gewesen. Kunde X ist nicht einverstanden mit der Kündigung infolge überwiegender Nutzung der Dienste im Ausland, da dieser Kündigungsgrund vertraglich nicht vereinbart worden sei. 



Nachfolgend geht es somit um die Frage, ob die Parteien vertraglich vereinbarten, dass bei einer überwiegenden Nutzung der Dienste von Anbieter Y im Ausland eine Kündigung und Umwandlung der Rufnummer in ein Prepaid erfolgen darf.

3. Kündigung wegen überwiegender Nutzung der Dienste im Ausland

3.1 Zum Vertragsschlussinhalt

Kunde X zog im Jahr 2018 ins Ausland und wollte sein Abonnement erfolglos vorzeitig ohne Kostenfolgen kündigen. Gemäss Anbieter Y wurde die vorzeitige Kündigung im Februar 2018 ohne Kostenfolgen verwehrt, weil damals die Nutzungsrichtlinien noch nicht in Kraft gewesen seien. Deshalb stützte sich Anbieter Y auf den Standpunkt, dass ihre Dienste ja auch im Ausland genutzt werden können. Dem Kunden wurde nebst der Kündigung mit Kostenfolgen angeboten, das Abonnement „AB“ für CHF 59.95 monatlich und einer Vertragsdauer von 24 Monaten abzuschliessen. Kunde X stimmte dem Vertragsschluss zu und nutzte die Dienste seither im Ausland.



Am 28. Januar 2020 verlängerte Kunde X den Vertrag „AB“ telefonisch um weitere 24 Monate für CHF 59.95. Anbieter Y unterliess es, Kunde X darüber aufzuklären, dass dieses Abonnement künftig nicht mehr überwiegend im Ausland genutzt werden könne. Auch wurde er nicht über die Einführung der neuen Nutzungsrichtlinien informiert. Nach dem mündlichen Vertragsschluss stellte Anbieter Y dem Kunden den Vertrag zu. Die Nutzungsrichtlinien werden vertraglich weder erwähnt noch wurden diese dem Kunden zugestellt. Auch den AGB können keine Hinweise zu den geltenden Nutzungsrichtlinien entnommen werden. Der Ombudsmann schliesst sich somit der Ansicht von Kunde X an: Die Nutzungsrichtlinien wurden nicht Vertragsbestandteil und Anbieter Y war somit nicht berechtigt, das Vertragsverhältnis zu kündigen sowie die SIM-Karte zu deaktivieren. Er teilt das Unverständnis des Kunden über das Vorgehen von Anbieter Y. Zuerst wurde dem Kunden das Abonnement „AB“ quasi aufgedrängt und später wegen überwiegender Nutzung der Dienste im Ausland wieder entzogen. Dieses Vorgehen ist für den Kunden verständlicherweise wenig schlüssig.

3.2 Nutzungsrichtlinien als einseitige Vertragsänderungen

Die von Anbieter Y im Nachhinein vorgebrachten Nutzungsrichtlinien wurden – wie bereits erwähnt – nicht Vertragsbestandteil und stellen somit lediglich einen Antrag zur Vertragsänderung dar.

3.2.1 Rechtliche Grundsätze

Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz zum Vertragsschluss, dass Parteien an einen vereinbarten Vertragsinhalt gebunden sind, soweit sie nicht einvernehmlich eine neue Vertragsregelung vereinbaren. Nach Vertragsabschluss kann der Inhalt grundsätzlich nicht mehr einseitig durch eine Vertragspartei abgeändert werden. Rechnen die Parteien bei Vertragsabschluss mit künftigen Ereignissen, können sie für diesen Fall eine Anpassung vertraglich vorsehen (sog. Anpassungsklauseln). Fehlen solche Anpassungsklauseln, kann der Anbieter der Kundin oder dem Kunden ein Angebot zur Vertragsanpassung unterbreiten, welches ausdrücklich angenommen werden muss. Stillschweigen kann nicht als Zustimmung gewertet werden. Wenn keine Anpassungsklauseln vorgesehen sind, gelten für die gesetzlich geregelten Dauerschuldverhältnisse in der Regel Vorschriften, die die vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund vorsehen. Lehre und Rechtsprechung dehnten die Auflösbarkeit aus wichtigem Grund auf Verträge aus, für die eine entsprechende gesetzliche Regelung fehlt (mehr Informationen u.a. in BGE 128 III 428 S. 430, Eugen Bucher, Berner Kommentar, N. 200 zu Art. 27 ZGB). Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund vorliegt, entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Art. 4 ZGB). Ohne Anpassungsklausel darf der Anbieter der Kundin oder dem Kunden während der Vertragserfüllung keine Änderung auferlegen, wenn diese nicht ursprünglich geplant war. Ein solches Verhalten kann als Angebot zur späteren Vertragsänderung betrachtet werden, wobei beachtet werden muss, dass das Schweigen der Kundin oder des Kunden grundsätzlich keine Annahme darstellt. Rechnen die Parteien bei Vertragsabschluss mit künftigen Ereignissen, können sie – wie bereits erwähnt – für diesen Fall eine Anpassung vertraglich vorsehen, sofern diese genügend bestimmt verfasst ist. 



Damit Anpassungsklauseln aber überhaupt gültig sind, müssen sowohl das erwartete Ereignis als auch der Umfang der Anpassung vertraglich bestimmt werden. Des Weiteren muss die Vertragspartnerin bzw. der Vertragspartner im Voraus klar und unmissverständlich über die bevorstehende Änderung informiert werden. Soweit diese Kriterien vollumfänglich erfüllt sind, könnte die eine Partei die Änderung durchsetzen – notfalls auch gegen den Willen der anderen Partei. Ist ein künftiges Ereignis jedoch zu wenig definiert oder nicht hinreichend bestimmt, räumen sich die Parteien ein Kündigungsrecht ein. Bei Dauerverträgen entspricht es der allgemeinen Erwartungshaltung, dass eine Anpassungsklausel mit einem Kündigungsrecht verbunden ist, wenn sie auf einem nicht hinreichend bestimmten Ereignis beruht (vgl. BGE 135 III 1). Das heisst, dass die mit der Änderung nicht einverstandene Partei auf diese Weise neue, ihr unpässliche Vertragskonditionen umgehen kann, indem das Vertragsverhältnis vor dem Inkrafttreten der Neuerungen aufgelöst wird. Anzumerken ist noch, dass es sich um eine für die Kundin oder den Kunden nachteilige, wesentliche Vertragsanpassung handeln muss, damit ihr oder ihm das Kündigungsrecht zusteht.

3.2.2 Im vorliegenden Fall

Die AGB von Anbieter Y enthalten eine solche Anpassungsklausel in Ziffer 10: 
„(…) Anbieter Y kann jederzeit die Dienste und/oder jegliche Teile des Vertrags ändern. Dies wird Ihnen in geeigneter Weise mitgeteilt, z. B. per SMS, Brief, E-Mail oder in einem Hinweis auf der Rechnung. Sollten Sie mit einer wesentlichen, für Sie nachteiligen Änderung nicht einverstanden sein, sind Sie berechtigt, den Vertrag innert 30 Tagen nach Mitteilung der Vertragsänderung schriftlich zu kündigen. Widersprechen Sie den Änderungen nicht fristgerecht, gelten diese als akzeptiert. Von Ihnen gestellte Anträge auf Änderung der Dienste oder von Ihnen handschriftlich vorgenommene Abänderungen des Vertrags sind nur dann rechtsverbindlich, wenn Anbieter Y diesen schriftlich zugestimmt hat. Scheitert die Portierung Ihrer Nummer zu Anbieter Y aus nicht von uns zu vertretenden Gründen, erkennen Sie an, dass der Vertrag mit der Ihnen zugeteilten vorläufigen Rufnummer gilt. In diesem Falle schulden Sie die vertraglich vereinbarten Grund- und Nutzungsgebühren oder alternativ die für die vorzeitige Kündigung geschuldete Gebühr.“

Anbieter Y wäre somit befugt gewesen, die Vertragsbedingungen zu ändern und Kunde X ein vorzeitiges Kündigungsrecht einzuräumen. Gegen die Kündigung per 10. November 2020 bzw. nun verlängert per 30. November 2020 dürfte somit grundsätzlich nichts sprechen. 



Kunde X ersucht im Schlichtungsbegehren entweder um Rücknahme der Kündigung und Fortführung des bisherigen Vertragsverhältnisses oder um Übernahme der Kündigungsgebühr bei vorzeitiger Kündigung durch Anbieter Y. Eine Rücknahme der Kündigung bietet sich aus den in Ziffern D.3.2.1 und D.3.2.2 gemachten Ausführungen nicht an. Anbieter Y ist gemäss Stellungnahme aber bereit, die Umwandlung in ein Prepaid vom 10. auf den 30. November 2020 zu verschieben und den Kunden per sofort, also auch vor dem 30. November 2020 aus dem Vertrag zu entlassen und seine Rufnummer 07x xxx xx xx zum Wunschanbieter zu portieren. Diesen Vorschlag hält der Ombudsmann mit Verweis auf die vorherigen Ausführungen für sachgerecht. 



Kunde X meldet sich also umgehend beim Wunschanbieter an und lässt seine Rufnummer portieren. Anbieter Y hebt das Abonnement „AB“ nach der erfolgreichen Portierung – spätestens aber am 30. November 2020 ohne Kostenfolgen auf und wandelt die Rufnummer 07x xxx xx xx in ein Prepaid um, sofern sie bis dahin noch nicht zum Wunschanbieter portiert wurde. 


Sollte die Umsetzung dieses Schlichtungsvorschlags bereits vor der beidseitigen Unterzeichnung ganz oder teilweise erfolgt sein, so gilt die Vereinbarung in diesem Punkt als erfüllt. Diesbezügliche Rechte und Pflichten fallen dahin.

E. SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

  1. Kunde X meldet sich umgehend beim Anbieter seiner Wahl an und lässt – sofern erwünscht – seine Rufnummer 07x xxx xx xx portieren.
  2. Anbieter Y hebt den Vertrag „AB“ nach der erfolgreichen Portierung – spätestens aber am 30. November 2020 ohne Kostenfolgen auf und wandelt die Rufnummer 07x xxx xx xx in ein Prepaid um, sofern sie bis dahin noch nicht zum Wunschanbieter portiert wurde.
  3. Dieser Schlichtungsvorschlag wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.

Bern, 10. November 2020

Dr. Oliver Sidler
Ombudsmann

by Unknown, 2024. All Rights Reserved. Built with Typemill.