Kündigung während der Mindestvertragslaufzeit aufgrund Umzugs
Herr X schloss mit Anbieter Y einen Internetvertrag über Glasfaser mit einer Mindestvertragsdauer von einem Jahr ab. Herr X wollte den Vertrag infolge Umzugs vorzeitig ohne Kostenfolgen kündigen, da der neue Wohnort nicht mit Glasfaser erschlossen war und Anbieter Y lediglich ein DSL-Abonnement mit geringerer Internetgeschwindigkeit anbieten konnte. Im Falle einer Kündigung vor Ablauf der Mindestvertragsdauer bestand Anbieter Y auf die Bezahlung des kostenlosen Testmonats, sowie der geschenkten Aufschaltgebühr (gesamthaft CHF 109.-) an. Der Ombudsmann hielt in seinem Lösungsvorschlag fest, dass weder die Folgen einer Kündigung während der Mindestvertragsdauer noch ein Umzug in eine Liegenschaft, mit reduzierten Dienstangebot, vertraglich geregelt waren. Der Ombudsmann negierte die Möglichkeit der Auflösung oder Anpassung aufgrund der „clausula rebus sic stantibus“, da der Umzug nicht zwingend erforderlich gewesen war. Weiter begrüsste der Ombudsmann das Absehen des Anbieters von der Mindestvertragsdauer, schlug aber anstelle der Bezahlung des Testmonates und der Aufschaltgebühr die Bezahlung der Abonnementsgebühr für Dezember 2021 in der Höhe von CHF 56.- vor. Denn Herr X kündigte sein Abonnement mit E-Mail vom 29. November 2021 unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 30 Tagen per 31. Dezember 2021.
SCHLICHTUNGSVORSCHLAG
Am 6. Januar 2022 leitete der Ombudsmann ein Schlichtungsverfahren zwischen den Parteien ein. In diesem Zusammenhang prüfte er die Eingabe des Kunden samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte beim betroffenen Anbieter eine Stellungnahme ein. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen unterbreitet der Ombudsmann den vorliegenden Schlichtungsvorschlag.
Der Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente des Kunden als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.
A. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN
Dem Schlichtungsbegehren von Herrn X wird Folgendes entnommen:
„Bei Anbieter Y wurde ein Internetabo über Glasfaser "X" mit einer Leistung von 10GBit (synchron) abgeschlossen. Während der Dauer der Mindestlaufzeit ändert die Erbringungsadresse wegen Umzug. Am neuen Standort kann technologisch weder Glasfaser (nur alter Telefonanschluss über Kupfer), noch die Leistung (Gegenangebot von Anbieter Y 0.1GBit statt 10GBit) erbracht werden. Anbieter Y besteht nun auf der Erfüllung des Vertrages, obwohl die vertraglich vereinbarte Leistung gar nicht erbracht werden kann. Eine vorzeitige Vertragsentlassung wurde nur gegen geldwerte Entschädigung (~CHF 150) angeboten.
Zu erreichen: Sofortige Entlassung aus dem Vertrag rückwirkend per 10. November 2021 (auf dieses Datum wurde der Umzug gemeldet) oder allerspätestens per 15. Dezember 2021 (späteste mögliche Leistungserbringung, Tag der Wohnungsabgabe). Zuzüglich Entschädigung für den entstandenen Aufwand im folgenden Umfang:
- Rechtsabklärungen (Recherche und Beratung Rechtsschutz): 3h
- Korrespondenz per Email und Twitter: 4h
- Eingabe Schlichtungsverfahren Ombudscom: 0.5h Total: 7.5h zu CHF 180 entspricht CHF 1'350 Die Entschädigung kann entweder als geldwerte Leistung per Überweisung oder als Gutschrift auf den aktuell noch weiterlaufenden Firmenaccount des Herrn X bei dem Anbieter Y gutgeschrieben werden.“
B. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS
Der Stellungnahme von Anbieter Y wird Folgendes entnommen:
„Der Kunde hat am 25.01.2021 einen Vertrag für ein Internet-Abonnement an der Wohnadresse in Gemeinde A abgeschlossen mit Wunschaufschaltung Ende März 2021 und hat von diversen Gutschriften / geschenkten Leistungen profitiert, u.a. einer geschenkten Aufschaltgebühr (CHF 50.-), eine Sondergutschrift (CHF 100.-, 2x CHF 50.-, einmal privat, einmal für seine Firma für die Vermittlung) und von einem kostenlosen Testmonat (CHF 79.). Der Vertrag sah vor, dass er sich im Gegenzug verpflichtet, das Abonnement mit einer Mindestlaufzeit von 12 Monaten ab dem ersten Tag der Verrechnung zu abonnieren und es hätte regulär mit einer Frist von 30 Tagen auf Ende April 2022 gekündigt werden können.
Am 29.11.2021 hat uns der Kunde eine Kündigung per E-Mail zukommen lassen und das Abonnement auf den 15.12.2021 gekündigt, mit der Begründung, es stehe ihm zu, in Folge Umzug das Abonnement fristlos zu kündigen. Ein alternatives Angebot am neuen Standort hat ihm nicht zugesagt und ein Angebot zur aussertermingerechten Kündigung auf Ende Dezember 2021 gegen eine einmalige Zahlung über CHF 109.- hat er abgelehnt. Vielmehr hat er nach vorgängiger Drohung die Klägerin öffentlich diskreditieren wollen, weil sie sich seiner Forderung nicht beugen wollte und seiner eigenen Interpretation nach sei ihr dadurch erfolgreich erheblichen Schaden entstanden. Weiter hat er - ohne Absicht zur Einigung und vordergründig um den Druck auf die Klägerin zu erhöhen - ein für die Klägerin kostspieliges Verfahren bei Ombudscom angestrengt, wie aus der öffentlich geführten Diskussion auf Twitter zu entnehmen ist. Selbst eine Beurteilung der rechtlichen Situation durch den Ombudsmann der Schlichtungsstelle Telekommunikation in einem gleich gelagerten Fall, die ihm jeglichen rechtlichen Anspruch auf vorzeitige Kündigung abspricht und weitere Versuche zur Einigung durch Anbieter Y, überzeugten den Kunden nicht, einen Kompromiss anzustreben.
Weil dem Kunden ein faires Angebot zur Einigung vorlag, bevor er sich an Ombudscom wandte und keine Einigungsabsicht durch den Kunden erkennbar ist, raten wir davon ab, ein Verfahren durchzuführen - wir betrachten die Eintretensvoraussetzungen als nicht erfüllt. Wir behalten uns vor, die uns entstehenden Kosten in einem Zivilverfahren geltend zu machen, zumal die Schädigungsabsicht durch den Kunden schriftlich angedroht wurde.“
C. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN
Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann die Schlichtungsstelle für Kommunikation bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements der Schlichtungsstelle für Kommunikation geregelt: Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.
Die Schlichtungsstelle prüfte die eingereichten Unterlagen und konnte keine offensichtliche Missbräuchlichkeit gemäss Art. 45 Abs. 2 FDV feststellen.
Mit E-Mail vom 2. Oktober 2021 informiert Herr X Anbieter Y, dass er per 10. November 2021 in sein Eigenheim in Gemeinde B umziehen werde. Am neuen Wohnort sei Glasfaser noch nicht verfügbar. Daher erkundigt sich Herr X, wie viel die Installation einer Glasfaserleitung kosten würde.
Anbieter Y bietet Herrn X mit E-Mail vom 4. Oktober 2021 eine Internetverbindung mit einer Geschwindigkeit von 10 Mbit/s für CHF 29.- oder mit einer Geschwindigkeit von 100Mbit/s für CHF 39.- an. Bezüglich des Glasfaserausbaus müsse sich Herr X bei der Gemeinde B erkundigen. Anbieter Y könne einen Glasfaseranschluss anbieten, sobald die Liegenschaft erschlossen sei.
Mit E-Mail vom 29. November 2021 teilt Herr X mit, dass er den Vertrag per 15. Dezember 2021 kündigen möchte, weil kein Glasfaser verfügbar sei und bis jetzt nur Anbieter Z FTTS ausgebaut habe. Per dann erfolge auch die Kündigung des Mietvertrags. Er freue sich, wenigstens geschäftlich noch 10 Gbit/s beziehen zu können.
Anbieter Y bedauert per E-Mail vom 30. November 2021 die Entscheidung. Die Anfrage werde an die Administration weitergeleitet.
Anbieter Y AG informiert mit E-Mail vom 30. November 2021 über die Mindestvertragslaufzeit von 12 Monaten. Der Vertrag könne per 30. April 2022 gekündigt werden. Herr X sei die Aufschaltgebühr geschenkt worden und er habe die Dienste einen Monat lang gratis konsumieren können. Gegen Bezahlung dieses Monats und der Aufschaltgebühr in der Höhe von CHF 54.75 könne die Kündigung per 31. Dezember 2021 akzeptiert werden.
Herr X lehnt das Angebot mit E-Mail vom gleichen Tag ab, da der Vertrag mangels Erbringung der Leistung am neuen Wohnort so oder so nicht weiter bestehen könne. Er bitte um Korrektur.
Anbieter Y verweist mit E-Mail vom 3. Dezember 2021 auf die Mindestvertragsdauer von einem Jahr. Sollte Herr X ein Sonderkündigungsrecht wahrnehmen wollen, könne er den zu Beginn des Abonnements erhaltenen Testmonat zurückzahlen.
Am 6. Dezember 2021 erwidert Herr X mit Verweis auf rechtliche Abklärungen seinerseits, dass der Vertrag nur vollzogen werden könne, wenn die Leistung erbracht werde. Die Mindestvertragslaufzeit ändere nichts daran.
Daraufhin teilt Anbieter Y per E-Mail vom 9. Dezember 2021 mit, dass der Vertrag für die Adresse in Gemeinde A abgeschlossen worden sei. Die Leistung könne an dieser Adresse erbracht werden, sodass Anbieter Y den Vertrag erfülle. Wenn ein Umzug erfolge, sei Anbieter Y grundsätzlich verpflichtet, die Leistung an der neuen Adresse ebenfalls zu erbringen. Da nicht jedes Gebäude auf dem gleichen Ausbaustand sei, könne nicht garantiert werden, dass am neuen Wohnort die gleiche Technologie und Bandbreite für den selben Preis verfügbar sei. Anbieter Y komme Herrn X aber entgegen, indem die vorzeitige Kündigung ermöglichen werde, wenn der Kunde seinerseits aber die kostenlos erbrachten Leistungen bezahlen würden.
Herr X informiert mit E-Mail vom 17. Dezember 2021, diese Ansicht nicht zu teilen. Er beharrt darauf, dass ein Vertrag nur in Kraft bleibe, wenn beide Parteien in der Lage seien, diesen zu erfüllen. Ausserdem könne eine Kundenwerbeaktion ohne anders lautende Vereinbarung nicht nachträglich geltend gemacht werden. Daher solle der Vertrag per 15. Dezember 2021 aufgelöst werden.
Anbieter Y teilt mit E-Mail vom 17. Dezember 2021 mit, die Mitteilung von Herrn X als Ablehnung ihres Vorschlags entgegenzunehmen und den Vertrag regulär per 30. April 2022 zu kündigen.
Gleichentags hält Herr X per E-Mail fest, dass er den Rechtsweg beschreiten und den Vertrag seines Unternehmens kündigen werde, sollte Anbieter Y am Vorgehen festhalten.
Anbieter Y bedauert mit einer weiteren E-Mail, Herrn X kein weiteres Angebot unterbreiten zu können. Der Vertrag werde per 30. April 2022 aufgelöst.
Herr X teilt daraufhin per E-Mail mit, dass diese Auslegung vollumfänglich bestritten werde. Er werde den Rechtsweg beschreiten und den Vertrag seines Unternehmens ebenfalls kündigen, sollte Anbieter Y am Vorgehen festhalten.
Mit E-Mail vom 29. Dezember 2021 informiert der Anbieter, dass Herr X die eBill abgelehnt habe. Anbieter Y bittet Herrn X, sich zu melden, wenn etwas mit der Rechnung nicht stimme.
Herr X informiert Anbieter Y gleichentags per E-Mail, dass durch den Umzug vom 16. Dezember 2021 die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht mehr erbracht werden können. Daher sei der Vertrag hinfällig. Herr X erwarte eine angepasste Rechnung.
Anbieter Y hält an der Bezahlung der Rechnung fest, weil die Kündigung erst per 31. Januar 2022 erfolge.
Der Kunde teilt gleichentags mit, dass die Dienste seit dem Umzug am 16. Dezember 2021 nicht mehr erbracht werden können. Er werde deshalb nicht bezahlen und verlange die vorzeitige Auflösung des Vertrages.
Herr X hat seinen Versuch zur Einigung mit Anbieter Y glaubhaft dargelegt. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.
D. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNS
1. Ausgangslage und Problemstellung
Im vorliegenden Schlichtungsverfahren geht es um die Frage, ob Herr X den Vertrag infolge Umzugs vorzeitig per 15. Dezember 2021 ohne Kostenfolgen kündigen kann, weil die Liegenschaft am neuen Wohnort nicht mit Glasfaser erschlossen ist und Anbieter Y dort kein Glasfaser-, sondern lediglich ein DSL-Abonnement mit geringerer Internetgeschwindigkeit anbieten kann. Weiter wird der Frage nachgegangen, ob Anbieter Y Herrn Xs Aufwand entschädigen sollte.
Der Ombudsmann prüft die Sach- und Rechtslage und stellt den Parteien einen Lösungsvorschlag zu.
2. Zur Stellungnahme des Anbieters
Anbieter Y erachtet die Eintretensvoraussetzungen vorliegend für nicht gegeben, weil Herr X ein faires Angebot abgelehnt habe. Gemäss Art. 45 Abs. 2 lit. a FDV und Art. 8 Abs. 1 lit. b Verfahrens- und Gebührenreglement wird lediglich vorgesehen, dass Kundinnen und Kunden sich während der letzten 12 Monate um eine Lösung bemüht haben müssen. Diese Bemühungen enthalten keine Pflicht für die Kundinnen und Kunden, sich auf ein Angebot der Anbieter einzulassen und sich von ihrem eigenen Standpunkt zu entfernen. Wichtig ist, dass das vom Anbieter unterbreitete Angebot durch die Kundinnen und Kunden abgelehnt wird und keine weitere Einigungsabsicht von Anbieterseite besteht. Dies war vorliegend der Fall, sodass die Einleitung des Schlichtungsverfahrens korrekt und nicht missbräuchlich erfolgte.
Weiter behält sich Anbieter Y vor, die Verfahrensgebühren der Schlichtungsstelle Telekommunikation zivilrechtlich Herrn X gegenüber geltend zu machen. Dieses Vorgehen verstösst klar gegen Art. 12c Abs. 2 FMG i.V.m. Art. 49 Abs. 3 und Art. 13ff. Verfahrens- und Gebührenreglement, wonach die Verfahrensgebühr abzüglich der Behandlungsgebühr der Kundinnen und Kunden von den Anbietern bezahlt werden muss. Die Verfahrensgebühr kann somit nicht auf die Kundschaft abgewälzt werden.
3. Zur Streitigkeit
3.1 Zum Sachverhalt
Am 2. Oktober 2021 zeigte Herr X dem Anbieter gegenüber seinen Umzug vom 10. November 2021 von Gemeinde A nach Gemeinde B an und erkundigte sich – mangels Erschliessung der neuen Liegenschaft mit Glasfaser – nach den Kosten für eine allfällige Erstellung eines Glasfaseranschlusses. Anbieter Y teilte am 4. Oktober 2021 mit, dass die Gemeinde B die Liegenschaft erschliessen müsse. Dem Anbieter sei es erst danach möglich, ein Glasfaserabonnement anzubieten. Alternativ bot Anbieter Y Herrn X das Abonnement mit einer Geschwindigkeit von 10 Mbit/s für CHF 29.- oder das Abonnement mit einer Geschwindigkeit von 100 Mbit/s für CHF 39.- an. Mit diesen Abonnements erklärte sich Herr X nicht einverstanden, weil er bis anhin über eine Internetgeschwindigkeit von 10000 Mbit/s verfügte und an dieser Geschwindigkeit festhielt. Daher vertritt Herr X die Ansicht, dass der Anbieter die Dienstleistung nicht mehr vertragsgemäss erbringen könne, was ihn zur vorzeitigen Kündigung ohne Kostenfolge ermächtige. Zudem möchte Herr X seinen Aufwand entschädigt haben.
Anbieter Y hingegen weist darauf hin, dass der Vertrag an der Adresse in der Gemeinde A, an welcher die Dienstleistung gemäss Vertrag erbracht werden müsse, ohne Einschränkungen erbracht werde. Herrn X seien alternative Abonnements angeboten worden, mit welchen die Dienstleistung – zwar nicht mit der gleichen Technologie und Bandbreite – auch an der neuen Adresse erbracht werden könnten. Somit werde der Vertrag erfüllt, eine vorzeitige Kündigung ohne Kostenfolge sei nicht möglich. Anbieter Y bietet aber an, den Vertrag per 31. Dezember 2021 gegen Bezahlung des Gratis-Test-Monats des Abonnements (CHF 59.-) sowie der Aufschaltgebühr (CHF 50.-), ausmachend CHF 109.-, aufzulösen.
3.2 Zum Vertragsinhalt
Herr X schloss Ende Januar 2021 den Vertrag an seiner damaligen Wohnadresse (Gemeinde A) mit Anbieter Y ab. Der Bestellbestätigung vom 26. Januar 2021 kann eine vereinbarte Mindestvertragsdauer von 12 Monaten ab der Aktivierung per 31. März 2021 entnommen werden. Herr X scheint von der Promotion „Keine Aufschaltgebühr, 1 Monat kostenlos testen!“ profitiert zu haben. Aus der Bestellbestätigung geht hervor, dass dem Kunden die Aufschaltgebühr geschenkt wurde („Setup-Gebühr Internet geschenkt!“). Hätte Herrn X die Dienstleistung nicht zugesagt, wäre die Vertragsauflösung nach einem Monat möglich gewesen. Gemäss Bestellbestätigung scheint eine Abonnementsgebühr von CHF 79.- vereinbart worden zu sein, wobei offenbar noch ein Rabatt von CHF 20.- erfolgte, denn Anbieter Y beziffert die monatlichen Abonnementsgebühren lediglich auf CHF 59.-. Auch die monatlichen Rechnungen belaufen sich auf nur CHF 59.- und nicht CHF 79.-.
Bezüglich einer allfälligen Kündigung kann der Bestellbestätigung nur entnommen werden, dass die Kündigungsfrist 30 Tage auf Ende der jeweiligen Rechnungsperiode beträgt. Die Modalitäten einer vorzeitigen Kündigung werden auf der Bestellbestätigung nicht erwähnt. Es erfolgt aber ein Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Die Vertragsdauer und Kündigung werden zwar in Ziffer 3.2 AGB geregelt, doch kann auch dieser Bestimmung kein Hinweis auf das Vorgehen bei einer Kündigung während der Mindestvertragsdauer entnommen werden. Ziffer 3.2 AGB sieht lediglich Folgendes vor: „Vertragsdauer und Kündigung Die Mindestdauer, die Kündigungsfrist und der Kündigungstermin werden grundsätzlich im Einzelvertrag oder auf den Bestellformularen so geregelt, dass sie für den Kunden ersichtlich sind. Wurden keine anderslautenden Regelungen getroffen, so gelten die folgenden Bestimmungen:
- Die Mindestlaufzeit beträgt 12 Monate.
- Nach Ablauf dieser Mindestlaufzeit können die Abonnemente und Dienstleistungen nur auf Ende der entsprechenden Verrechnungsperiode gekündigt werden.
- Die Kündigung muss mindestens 30 Tage vor Ablauf der Verrechnungsperiode bei Anbieter Y eingetroffen sein.“
3.3 Lösungsvorschlag
Der Ombudsmann kann die Ansichten beider Parteien nachvollziehen. Anbieter Y schloss mit dem Kunden einen Jahresvertrag ab, dessen Dienste der Anbieter an der vertraglich vereinbarten Adresse nach wie vor erbringen kann. Die Vertragsänderung ging nicht vom Anbieter, sondern vom Kunden aus. Ausserdem kann Anbieter Y am neuen Wohnort die Dienste weiterhin anbieten, wenn auch mit stark reduzierter Geschwindigkeit im Vergleich zum Fiber-Vertrag. Daher ist es verständlich, dass Anbieter Y den Vertrag nicht vor Ablauf der Mindestvertragsdauer ohne Kostenfolge auflösen will bzw. für die vorzeitige Kündigung noch eine Gebühr verlangt. Herr X hingegen teilt mit, bei Vertragsschluss nicht vorgehabt zu haben, umzuziehen. Im Gegenteil, er sei erst gerade frisch mit seiner Partnerin zusammengezogen. Im Juli 2021 habe er die Liegenschaft in Gemeinde B inseriert gesehen. Im August 2021 habe er sein Gebot abgegeben und im Oktober 2021 den Zuschlag erhalten sowie den Kaufvertrag unterzeichnet. Somit änderten sich Herrn Xs Lebensumstände seit Vertragsschluss. Dass er bei der Wahl seiner Liegenschaft nicht wegen eines Jahresvertrags mit Anbieter Y auf das Erfordernis eines Glasfaseranschlusses achtete und den beiden Ersatzangeboten von Anbieter Y mit im Vergleich mit dem Fiber-Abonnement stark reduzierten Internetgeschwindigkeiten nicht zustimmte, erachtet der Ombudsmann ebenfalls für nachvollziehbar.
Wie vorangehend unter Ziffer D.3.2 aufgezeigt, werden weder die Folgen einer Kündigung während der Mindestvertragsdauer noch diejenigen eines Umzugs in eine Liegenschaft, in welcher die Dienste nur reduziert angeboten werden können, vertraglich geregelt.
Infolge der veränderten Lebensumstände von Herrn X könnte die Regel „clausula rebus sic stantibus“ zur Anwendung kommen. Diese besagt, dass das Dauerschuldverhältnis angepasst oder aufgelöst werden kann, wenn sich die Umstände nach Vertragsschluss wesentlich ändern und durch die Veränderung eine Weiterführung und Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses für mindestens eine Vertragspartei als unzumutbar erscheint. Die nachträgliche Veränderung der Verhältnisse sollte weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen sein und muss zu einer Äquivalenzstörung führen. Vorliegend dürfte der Umzug nicht zwingend erforderlich gewesen sein. Daher scheint die Veränderung der Verhältnisse vermeidbar gewesen zu sein, was nicht zur Anwendung der Klausel „clausula rebus sic stantibus“ führen dürfte. Dennoch zeigte sich Anbieter Y bereit, den Vertrag mit Herrn X gegen Bezahlung des Testmonats sowie der Aufschaltgebühr (gesamthaft CHF 109.-) per 31. Dezember 2021 zu kündigen. Diese Vorgehensweise wurde – wie bereits erwähnt – vertraglich nicht geregelt. Einerseits begrüsst der Ombudsmann das Absehen des Anbieters von der Mindestvertragsdauer. Andererseits erachtet er es nicht für korrekt, dass der Anbieter nachträglich die gemäss Bestellbestätigung geschenkte Aufschaltgebühr dennoch in Rechnung stellt. Der Ombudsmann schlägt daher vor, dass beide Parteien einen Schritt aufeinander zugehen und Anbieter Y den Betrag auf CHF 59.- reduziert bzw. Herr X CHF 59.- bezahlt. Dies entspricht einer Monatsgebühr und ist nach Ansicht des Ombudsmanns nicht für den kostenlosen Testmonat, sondern für die Abonnementsgebühr für Dezember 2021 geschuldet. Denn unter Einhaltung der Kündigungsfrist von 30 Tagen auf Ende der jeweiligen Rechnungsperiode kündigte Herr X sein Abonnement mit E-Mail vom 29. November 2021 per 31. Dezember 2021. Allfällige nach dem 31. Dezember 2021 noch angefallenen Rechnungen werden von Anbieter Y storniert.
Auf das Schadenersatzbegehren von Herrn X von CHF 1'350.- kann der Ombudsmann nicht eingehen. Denn der Schlichtungsstelle ist es im Gegensatz zu einem Gericht nicht möglich, erforderliche Beweiserhebungen durchzuführen, um einen entstandenen finanziellen Schaden überprüfen zu können. Für die Geltendmachung der erwähnten Entschädigungen muss Herr X deshalb auf den ordentlichen Gerichtsweg verwiesen werden.
Wie bereits erwähnt, hofft der Ombudsmann, dass die Parteien einen Schritt aufeinander zugehen und dem Lösungsvorschlag zustimmen.
Sollte die Umsetzung dieses Schlichtungsvorschlags bereits vor der beidseitigen Unterzeichnung ganz oder teilweise erfolgt sein, so gilt die Vereinbarung in diesem Punkt als erfüllt. Diesbezügliche Rechte und Pflichten fallen dahin.
E. SCHLICHTUNGSVORSCHLAG
- Anbieter Y löst den Vertrag von Herrn X, innert 20 Tagen nach Erhalt der Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss des Schlichtungsverfahrens rückwirkend per 31. Dezember 2021 ohne Kostenfolgen auf.
- Anbieter Y annulliert innert 20 Tagen nach Erhalt der Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss des Schlichtungsverfahrens allfällige nach dem 31. Dezember 2021 noch in Rechnung gestellten Forderungen im Kundenkonto von Herrn X.
- Anbieter Y stellt Herrn X innert 20 Tagen nach Erhalt der Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss des Schlichtungsverfahrens eine Abschlussrechnung mit allfälligen noch nicht bezahlten Gebühren des Abonnements in der Höhe von CHF 59.- pro Monat bis 31. Dezember 2021 in Rechnung.
- Herr X bezahlt allfällige noch nicht bezahlte Abonnementsgebühren in der Höhe von CHF 59.- pro Monat bis 31. Dezember 2021 innert 10 Tagen nach Erhalt der Abschlussrechnung gemäss Ziffer E.3.
- Dieser Schlichtungsvorschlag wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.
Bern, 31. Januar 2022
Dr. Oliver Sidler Ombudsmann