Preselection wird nach Technologiewechsel hinfällig: Vertragsbruch durch Anbieter
Herr X hat bei Anbieter Y AG ein Preselection-Abonnement, welches aufgrund des Technologiewechsels durch Anbieter Z AG nicht mehr funktioniert. Herr X ist gewillt, das Preselection-Abonnement vorzeitig ohne Kostenfolge zu beenden. Y AG besteht hingegen auf die Bezahlung der monatlich vereinbarten Abonnementsgebühren während der Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten, selbst wenn Herr X den Dienst nicht mehr nutzen kann. Der Ombudsmann stellt im vorliegenden Fall einen Vertragsbruch von Y AG fest: Y AG kommt den vertraglich vereinbarten Pflichten nicht mehr nach, was den Kunden zur Kündigung aus wichtigem Grund oder zum Vertragsrücktritt ermächtigt. Y AG hat daher die in Rechnung gestellten Abonnementsgebühren bis zum ordentlichen Vertragsende zu stornieren.
SCHLICHTUNGSVORSCHLAG
Am 4. Juni 2018 leitete der Ombudsmann ein Schlichtungsverfahren zwischen den Parteien ein. In diesem Zusammenhang prüfte er die Eingabe des Kunden samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte beim betroffenen Anbieter eine Stellungnahme ein. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen unterbreitet der Ombudsmann den vorliegenden Schlichtungsvorschlag.
Der Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente des Kunden als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.
A. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN
Dem Schlichtungsbegehren von Herrn X wird Folgendes entnommen:
„Es geht grundsätzlich um die Vertragsauflösung eines Preselection-Vertrages aufgrund der technischen Umstellung auf IP auf Seiten des Anbieters Z AG. Dies macht Preselection technisch nicht mehr möglich. Y AG will mich seltsamerweise nicht aus dem Vertrag „normal" entlassen, sondern geht von einer vorzeitigen Kündigung von meiner Seite aus. Obwohl eine technische Umstellung nicht mir als Kunden angelastet werden kann. Ebenfalls wird die weitere Leistungserbringung durch Y AG dadurch verunmöglicht.
- Im Dezember 2017 habe ich Y AG schriftlich auf ihr Angebot mehr Telekomdienstleistungen (auch Internet, etc.) zu erbringen per Brief mitgeteilt, dass Y AG aufgrund der Umstellung der Technologie (Telefon über IP) nicht mehr in der Lage ist, dem bisherigen Vertrag weiter nachzukommen (Preselection) und ich daher mit einer Beendigung einverstanden sei.
- Im Januar 2018 habe ich von Y AG ein Schreiben bekommen, in dem seltsamerweise auf Schriftform hingewiesen wurde. Dies ist mir völlig schleierhaft, da das Schreiben per Post versandt wurde und offensichtlich angekommen ist. Sonst hätte ich ja gar keine Antwort bekommen können. Ich bin davon ausgegangen, dass ein falscher Textblock verwendet wurde.
- Im März 2018 habe ich Y AG mitgeteilt, dass die Z AG schlussendlich den Anschluss umgestellt hat. Ich bin daher davon ausgegangen, dass mit dem Monat März die Rechnungsstellung durch Y AG endet.
- Trotzdem ging mir eine Schlussrechnung von Y AG über CHF 376.65 zu.
- Mehrmalige Telefonate mit dem Kundendienst und E-Mail-Verkehr: Y AG teilt mit, ich hätte zu spät gekündigt (Dezember nicht anerkannt?) und keine Stellungnahme, dass die Beendigung ja unabhängig von einer möglichen Kündigung von Y AG aufgrund technischer Unmöglichkeit der weiteren Leistungserbringung von Y AG beendet werden muss. Eine Kündigung also nicht einmal hätte erfolgen müssen.
Ziel: Aufhebung der Schlussrechnung von CHF 376.65.“
B. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS
Y AG reichte innert Frist keine Stellungnahme ein, weshalb der Ombudsmann seine Überlegungen hauptsächlich auf die vom Kunden eingereichten Unterlagen und Informationen stützen muss.
C. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN
Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann ombudscom als Schlichtungsstelle bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements von ombudscom geregelt:
Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.
Der Kunde teilt schriftlich mit, dass er keine Vollmacht zum Anbieterwechsel erteile. Y AG erbringe die vereinbarte vertragliche Leistung nicht mehr. Daher sei der Kunde einverstanden, den Vertrag zu beenden. Da er als Vertragsnehmer nichts zu den Umständen beigetragen habe, die zur Beendigung führen, sei er nicht gewillt, weiterhin zu bezahlen.
Mit Schreiben vom 4. Januar 2018 informiert Y AG, dass die Kündigung nicht akzeptiert werden könne, da sie nicht der vereinbarten Schriftform entspreche. Y AG bittet um Zustellung der Kündigung mit Unterschrift und weist zudem auf die Vertragsdauer von 24 Monaten hin. Die Grundgebühren seien auch geschuldet, wenn der Kunde die Dienstleistung nicht in Anspruch nehme. Es sei aber möglich, eine Abschlussrechnung zuzustellen.
Mit E-Mail vom 6. April 2018 schildert der Kunde erneut die Geschehnisse. Er sei nicht gewillt, die Abschlussrechnung zu bezahlen, weil Y AG seit des Technologiewechsels im März 2018 nicht mehr fähig sei, die Dienstleistung zu erbringen. Er hätte gerne die Preselection weiterhin in Anspruch genommen. Das sei aber nicht möglich.
Y AG erwidert mit E-Mail vom 16. April 2018, dass der Kunde dem Schreiben „Technologiewechsel“ habe entnehmen können, dass Y AG den Tarif umstellen möchte, weil er den alten Anschluss nicht mehr nutzen könne. Dieses Angebot müsse er nicht annehmen. Dennoch weist Y AG ihn darauf hin, dass er einer Vertragsdauer von 24 Monaten zugestimmt habe. Eine vorzeitige Kündigung sei nicht möglich. Die monatlichen Grundgebühren für den gewählten Tarif fallen auch an, wenn er die Dienstleistung nicht nutze. Wie gewünscht, erhalte er eine Abschlussrechnung mit den Grundgebühren bis zum Vertragende.
Mit E-Mail vom 21. April 2018 drückt der Kunde sein Erstaunen über die E-Mail vom 16. April 2018 aus. Man sei gar nicht auf sein Anliegen vom 6. April 2018 eingegangen. Er erläutere daher seinen Standpunkt erneut: Er sei von Y AG irreführend informiert worden, dass sein Anschluss ohne Rücksendung des Formulars deaktiviert werde. Obwohl er lediglich einen Preselection-Vertrag gehabt habe, habe man versucht, mit ihm einen neuen Vertrag inkl. Internet abzuschliessen. Er habe das Angebot vom Dezember 2017 abgelehnt. Somit habe weiterhin der Preseletion-Vertrag gegolten. Allerdings sei es Y AG aus technischen Gründen nicht möglich, die Leistung zu erbringen. Daher sei die Kündigung des Vertrags durch Y AG erfolgt. Wie er bereits im Dezember 2017 mitgeteilt habe, sei er mit einer Beendigung des Vertrags einverstanden gewesen. Die Abschlussrechnung sei er nicht gewillt, zu bezahlen bzw. sei er gewillt, bis zum 2. März 2018 zu bezahlen. Er bitte um Zustellung einer korrigierten Rechnung.
Y AG informiert mit E-Mail vom 30. Mai 2018, dass an der bisherigen geäusserten Auffassung zur Sach- und Rechtslage festgehalten werde. Die Abschlussrechnung vom 28. März 2018 müsse bezahlt werden.
Somit hat Herr X seinen Versuch zur Einigung mit Y AG glaubhaft dargelegt. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.
D. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNS
1. Ausgangslage und Problemstellung
Im vorliegenden Schlichtungsverfahren geht es um die Frage, ob der Kunde die Abschlussrechnung über CHF 376.65 für die Grundgebühren des Preselection-Vertrags bis zum Vertragsende bezahlen muss, obwohl Y AG den Preseleciton-Vertrag nicht mehr anbieten kann.
Der Ombudsmann prüft die Sach- und Rechtslage und stellt den Parteien einen Lösungsvorschlag zu.
2. Technologiewechsel
2.1 Allgemeines
Der Anbieter Z AG informierte im März 2014 die Öffentlichkeit, dass die herkömmliche Festnetztelefonie (analog und ISDN) durch das Internet Protokoll (IP) abgelöst werde, da der Lebenszyklus der herkömmlichen Festnetztelefonie am Ende angelangt ist (siehe https://www.Z AG.ch/xxx). Das heisst, dass alte Services (wie die Preselection), die auf Z AG basieren, umgeschaltet werden müssen. Die Kundinnen und Kunden stecken ihre Telefonanlage neu am Internetrouter oder einem VoIP-Gateway an und nicht mehr an der klassischen Telefonsteckdose.
Die Umstellung wird gemäss Z AG schrittweise eingeführt. Für die Umstellung auf IP wäre der Wechsel des Abonnements sowie die Portierung der Rufnummer erforderlich gewesen. Der Kunde erklärte sich allerdings nicht einverstanden, ein neues Abonnement mit Rufnummerportierung bei Y AG abzuschliessen und vertritt die Ansicht, dass Y AG die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht einhalten könne, was ihn zur vorzeitigen Kündigung ohne Kostenfolge ermächtige. Y AG hingegen hält fest, dass dem Kunden ein neues Abonnement angeboten worden sei und er die Grundgebühren des Preselection-Vertrags bis zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit zu bezahlen habe, auch wenn er die Dienstleistung nicht nutze.
2.2 Vertragsverletzung
Der vorliegende Abonnementsvertrag gehört - wie in der Telekombranche üblich - zur Kategorie der sogenannten Dauerschuldverhältnisse. Diese kennzeichnen sich durch stets wiederkehrenden Leistungsaustausch. Dabei werden die Vertragsleistungen unter den Parteien über einen festgelegten oder unbefristeten Zeitraum ausgetauscht (wie bei Miet- oder Arbeitsverhältnissen).
Ein Dauerschuldverhältnis wird in der Regel unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist von einer Partei gekündigt. Vorliegend wurde eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten vereinbart. Der Vertrag wäre ordentlich nur per Ende dieser Laufzeit kündbar gewesen. Vorzeitig - das heisst, vor Ablauf dieser Mindestvertragslaufzeit - konnte der Vertrag demnach nur aufgrund der Geltendmachung einer Vertragsverletzung oder mittels einer Kündigung aus wichtigem Grund aufgelöst werden: Aus Art. 97 Abs. 1 OR (Obligationenrecht / SR 220) kann aus dem Ausbleiben der Erfüllung der vertraglichen Pflichten eine Vertragsverletzung abgeleitet werden. Dieser Artikel sieht primär einen Anspruch auf Schadenersatz vor. In der Lehre wird als Ergänzung zusätzlich ein Rücktrittsrecht befürwortet. Bei allen Fällen der nichtgehörigen Erfüllung der vertraglichen Pflichten ist ein Rücktrittsrecht sachgerecht. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Schlechterfüllung nach den Regeln des besonderen Teils des schweizerischen Obligationenrechts Rücktrittsrechte vorgesehen sind (BSK OR I - WOLFGANG WIEGAND, Art. 97 N 58). Ein Rücktrittsrecht infolge Schlechterfüllung kommt vor allem bei Dauerschuldverhältnissen in Betracht (vgl. WOLFGANG WIEGAND, „Die Leistungsstörungen" in recht1984 / Heft 1, S. 14 ff.). Das Rücktrittsrecht erfüllt in diesem Bereich eine sinnvolle Funktion, wenn durch die nichtgehörige Erfüllung die Vertrauensgrundlage zwischen den Vertragsparteien erschüttert ist. Auch eine Kündigung aus wichtigem Grund könnte bei einer solchen Konstellation in Frage kommen. Der Konnex wird deshalb gezogen, weil dem wichtigen Grund in aller Regel eine - allerdings gravierende - Verletzung von Verhaltenspflichten vorangeht.
Y AG nahm zur vorliegenden Streitigkeit keine Stellung. Der Anbieter ist an dieser Stelle auf die Mitwirkungspflicht am Schlichtungsverfahren gemäss Art. 47 Abs. 1 und 2 FDV hinzuweisen. Mangels Stellungnahme und weil die Schilderungen des Kunden plausibel erscheinen, ist von der Korrektheit der Ausführungen der begehrenden Partei auszugehen. Der Ombudsmann kommt somit zum Schluss, dass Y AG den vertraglich vereinbarten Pflichten seit 3. März 2018 nicht mehr nachkommt, was den Kunden zur Kündigung aus wichtigem Grund oder zum Vertragsrücktritt ermächtigt.
3. Fazit
Die Schilderungen des Kunden erscheinen plausibel. Der Anbieter nahm zum vorliegenden Fall keine Stellung. Somit wird – unter Berücksichtigung der rechtlichen Begebenheiten – von der Korrektheit der Vorbringen des Kunden ausgegangen: Y AG kam seit dem 3. März 2018 den vertraglich vereinbarten Pflichten nicht mehr nach, was den Kunden zur Kündigung aus wichtigem Grund oder zum Vertragsrücktritt ermächtigt. Somit ist die Rechnung über CHF 376.65 nicht geschuldet.
Diesen Vorschlag erachtet der Ombudsmann unter den gegebenen Umständen für sachgerecht.
Sollte die Umsetzung dieses Schlichtungsvorschlags bereits vor der beidseitigen Unterzeichnung ganz oder teilweise erfolgt sein, so gilt die Vereinbarung in diesem Punkt als erfüllt. Diesbezügliche Rechte und Pflichten fallen dahin.
E. SCHLICHTUNGSVORSCHLAG
- Y AG annulliert die Rechnung Nr. 4321 über CHF 376.65 im Kundenkonto Nr. 0123456789 von Herrn X.
- Y AG annulliert allfällige weitere noch offene Rechnungen im Kundenkonto Nr. 0123456789 von Herrn X.
- Nach Erfüllung von Ziffern 1-2 des Schlichtungsvorschlags erklären sich die Parteien per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt.
- Dieser Schlichtungsvorschlag wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.
Bern, 3. Juli 2018
Dr. Oliver Sidler
Ombudsmann