Achtfache Kündigungsgebühr bei ausserordentlicher Kündigung?

Herr X hat seine Rufnummer 07x xxx xx xx frühzeitig zu einem anderen Anbieter portieren lassen und erhielt in der Folge von Anbieter Y eine Rechnung mit der Verrechung von Kündigungsgebühren in Höhe von CHF 800.00. Herr X ist nicht bereit, den vollen Betrag der Kündigungsgebühr zu bezahlen, da er der Ansicht ist, dass die Gebühr gemäss der bereits verstrichenen Vertragslaufzeit anzupassen sei und bietet an, eine Abgeltung in Höhe von CHF 200.00 zu bezahlen. Anbieter Y ist mit einer Reduktion der Forderung nicht einverstanden und besteht auf die volle Kündigungsgebühr in Höhe von CHF 800.00. Der Ombudsmann hat sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und in welcher Höhe eine Kündigungsgebühr geschuldet ist und kommt zum Schluss, dass die Gebühr zu reduzieren ist.

SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

Am 17. Mai 2016 leitete der Ombudsmann ein Schlichtungsverfahren zwischen den Parteien ein. In diesem Zusammenhang prüfte er die Eingabe des Kunden samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte beim betroffenen Anbieter eine Stellungnahme ein. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen unterbreitet der Ombudsmann den vorliegenden Schlichtungsvorschlag.

Der Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente des Kunden als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.

A. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN

Dem Schlichtungsbegehren von Herrn X wird Folgendes entnommen:

"Ich hatte im Juli 2014 eine Vertragsverlängerung mit Anbieter Y inkl. einem neuen iPhone abgeschlossen (bezahlter Preis: CHF 539.00) - Dauer 2 Jahre. Nun bin ich per 11. Februar 2016 frühzeitig (nach 19/24 der Laufzeit) aus dem Vertag ausgestiegen. Durch das verfrühte Aussteigen aus dem Vertrag habe ich damit gerechnet, dass ich max. die restlichen fixen Monatsgebühren (5 Monate à CHF 25.00) und möglicherweise pro rata Kosten des iPhones (ca. CHF 50.00, ca. also 5/24, in der Annahme, dass das iPhone dazumal ohne Abo ca. CHF 800.00 gekostet hatte) bezahlen muss. Mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass ich anstatt ca. CHF 200.00 ca. CHF 800.00 bezahlen muss. Nach Nachfragen bei Anbieter Y (Kundendienst) bez. Kosten wurde ich informiert, dass dies standardmässig CHF 800.00 sind bei frühzeitigem Austreten aus einem Vertrag (dies steht auch im Kleingedruckten des Vertrags, den ich unterzeichnet hatte). Bei einem so wichtigern Sachverhalt bin ich der Meinung, dass dies explizit im Vertrag erwähnt sein sollte. Die CHF 800.00 fallen an, egal ob man 2 Wochen nach Abschluss oder erst ein paar Tage vor Ablauf der Vertragslaufzeit ausserordentlich gekündigt hat.

Weitere Info:

  • Mittlerweile sind zusätzlich auch schon Mahngebühren angefallen sind (zusätzlich zu den CHF 800.00)
  • Von KTipp habe ich eine erste Einschätzung erhalten (Siehe Anhang in Mail). Diese habe ich dann auch Anbieter Y für eine Stellungsnahmen weitergeleitet
  • Anbieter Y hat darauf nach wie vor ablehnend geantwortet (siehe Anhang in Mail)
  • Sie finden im Mail auch alle Dokumente (Vertrag / Rechnung)

Meine Fragen:

  • Ist so eine generelle Pauschale (ohne Berücksichtigung der Laufzeit) rechtens?
  • Dürften nicht nur die effektiven Kosten verrechnet werden?
  • Zudem, müsste beim Verkauf nicht explizit darauf aufmerksam gemacht / dies explizit im Vertrag erwähnt werden?
  • Zum Schluss, soll ich diese horrende Summe bezahlen?

Ich möchte erreichen, dass ich die effektiven Kosten bezahle, also ca. CHF 200.00.“

B. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS

Der Stellungnahme von Y wird Folgendes entnommen:

"Herr X hat sich nicht an die Mindestvertragsdauer gehalten und den Vertrag vorzeitig annulliert. Ihm war bewusst, dass dies mit zusätzlichen Kosten verbunden sein wird. Auf dem Portierungsformular hat Herr X angekreuzt, dass er die Nummer per sofort portieren möchte und nicht den gültigen Vertrag bei Anbieter Y einhalten will. Verlangen Sie das Portierungsformular von Herrn X.

Der Kunde hat den Vertrag nicht eingehalten, daher ist die Gebühr für die vorzeitige Vertragsauflösung korrekt, siehe Vertrag. Ich wäre aber bereit, die Mahnung von CHF 25.00 zu stornieren, obwohl sie auch korrekt sei.

Sollte es Herrn X nicht möglich sein, den Betrag von CHF 802.25 auf einmal zu begleichen, wäre es möglich, den Betrag in drei Raten zu begleichen."

C. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN

Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann ombudscom als Schlichtungsstelle bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements von ombudscom geregelt:

Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.

Mit E-Mail vom 14. April 2016 bestreitet der Kunde die Gültigkeit der Kündigungsgebühren. Auf dieses Schreiben erhält der Kunde die Antwort, dass die Kosten bezahlt werden müssen. Der Einigungsversuch ist damit gescheitert.

Herr X hat seinen Versuch zur Einigung mit Anbieter Y glaubhaft dargelegt. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.

D. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNS

1. Ausgangslage und Problemstellung

Herr X hat seine Rufnummer 07x xxx xx xx frühzeitig zu einem anderen Anbieter portieren lassen und erhielt in der Folge von Anbieter Y eine Faktura mit der Verrechung von Kündigungsgebühren in Höhe von CHF 800.00. Herr X ist nicht bereit, den vollen Betrag der Kündigungsgebühr zu bezahlen, da er der Ansicht ist, dass die Gebühr gemäss der bereits verstrichenen Vertragslaufzeit anzupassen sei und bietet an, eine Abgeltung in Höhe von CHF 200.00 zu bezahlen.

Anbieter Y ist mit einer Reduktion der Forderung nicht einverstanden und besteht auf die volle Kündigungsgebühr in Höhe von CHF 800.00.

Der Ombudsmann hat sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und in welcher Höhe eine Kündigungsgebühr geschuldet ist.

2. Kündigungsgebühr

Einseitig kann eine Partei einen Vertrag kündigen, in dem diese unter Einhaltung der Kündigungsfrist auf den ordentlichen Kündigungstermin den Vertrag auflöst. Wird der Vertrag ausserordentlich und damit vor Ablauf der Mindestvertragsdauer gekündigt, schuldet der Kunde gemäss Vertrag eine Strafgebühr bzw. Kündigungsgebühr. Dies wird vertraglich wie auch in den AGB von Anbieter Y festgesetzt. Diese Gebühr ist in aller Regel ein Pauschalbetrag in Höhe von CHF 300.00, CHF 500.00, CHF 600.00 oder CHF 800.00, abhängig von der vertraglich vereinbarten Mindestvertragsdauer und vom vergünstigt bezogenen Gerät. Vorliegend wurde dem Kunden ein Betrag in Höhe von CHF 800.00 verrechnet, da er ein Apple Gerät im Zusammenhang mit einem 24-Monatsvertrag gekauft hat.

Der Ombudsmann beurteilt die Einforderung von Kündigungsgebühren durch den Anbieter sehr kritisch. In erster Linie verfolgen Kündigungsgebühren wegen einer ausserordentlichen Kündigung den Zweck, den Bearbeitungsaufwand, vergünstigt bezogene Geräte und die gemäss Vertragslaufzeit geschuldeten Monatsgebühren zu kompensieren. Der Ombudsmann ist der Ansicht, dass bei Verträgen mit Kauf eines Mobilfunktelefons zu einem Sonderpreis das Einfordern einer Kündigungsgebühr zwar vertretbar ist, jedoch muss diese Gebühr den Umständen angepasst werden. Kunden, welche den Vertrag bereits einige Monate erfüllt haben, sind aufgrund des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes besser zu stellen als diejenigen ohne Einhaltung der Mindestvertragsdauer. Der Pauschalbetrag ist demnach pro rata temporis anzupassen.

Vorliegend fordert Anbieter Y einen Betrag in Höhe von CHF 800.00. Die Kündigungsgebühr wird in der vollen Höhe und nicht pro rata temporis verrechnet, was im vorliegenden Fall unverhältnismässig ist. Die Forderung in Höhe von CHF 800.00 ist deshalb aus den folgenden Gründen zu reduzieren:

Herr X bezahlte beim Vertragsabschluss bzw. der Vertragsverlängerung für sein Gerät einen Preis in Höhe von CHF 539.00. Der volle Verkaufspreis betrug seiner Meinung nach ca. CHF 800.00, womit er CHF 261.00 „einsparen“ konnte. Der Anbieter hat keinen Nachweis des effektiven Kaufpreises geliefert, weshalb der Ombudsmann bei der Berechnung ebenfalls von CHF 800.00 ausgeht.

Gemäss den vertraglichen Bestimmungen von Y sind jeweils die folgenden Gebühren geschuldet:

CHF 100.00: 12-Monats-Vertrag ohne Endgerät

CHF 100.00: 24-Monats-Vertrag ohne Endgerät

CHF 300.00: 12-Monats-Vertrag mit Endgerät

CHF 500.00: 24-Monats-Vertrag mit Endgerät

CHF 600.00: 12-Monats-Vertrag mit Apple Gerät

CHF 800.00: 24-Monats-Vertrag mit Apple Gerät

Sofern eine Ratenzahlung zur Abgeltung des Kaufpreises für das Gerät vereinbart wird, werden bei einer vorzeitigen Kündigung die ausstehenden Abzahlungsraten sofort fällig.

Im Resultat bedeutet dies was folgt:

Während ein Kunde ohne Gerätebezug nur CHF 100.00 entrichtet, bezahlt Herr X mit einer 67%-igen Deckung des Kaufpreises eine Strafgebühr in Höhe von CHF 800.00. Die Gebühr ist ein Achtfaches im Unterschied zu einer geschuldeten Gebühr ohne Gerätebezug. Zu erwähnen gilt zudem, dass der Kunde eine Grundgebühr in Höhe von nur CHF 25.00 bezahlt. Wäre diese Gebühr bis zum ordentlichen Vertragsende entrichtet worden bzw. hätte Herr X den Vertrag ordentlich gekündigt, so hätte der Anbieter lediglich CHF 125.00 daran verdient. Dieser Betrag entspricht wiederum einem Achtel der zu bezahlenden Strafgebühr in Höhe von CHF 800.00.

Die Festsetzung der Höhe der Kündigungsgebühr erfolgt bewusst hoch, damit Kunden vor einer vorzeitigen Kündigung abgeschreckt werden. Hierfür das Achtfache der ursprünglichen vereinbarten Vertragsleistung zu verlangen (Kündigungsgebühr vs. ausstehende Abonnementsgebühr) ist nicht mit dem Grundsatz von Art. 8 UWG („Unlauter handelt insbesondere, wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen.“) vereinbar. Die Gebühr in Höhe von CHF 800.00 ist mit diesem Hintergrund durch Anbieter Y anzupassen.

Im vorliegenden Fall ist Herr X am besten gestellt, wenn er die ausstehenden Abonnementsgebühren in Höhe von CHF 125.00 (CHF 25.00 x 5 Monate) bezahlt und nicht die pro rata Strafgebühr in Höhe von CHF 166.70 (CHF 800.00 / 24 Monate x 5 Monate Restlaufzeit). Da es sich bei der Einforderung dieser„Konventionalstrafe“ um eine ultima ratio Massnahme handelt, welche ohnehin nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zum Zug kommen sollte, ist durch Anbieter Y die vorliegend mildeste Variante zu wählen.

Basierend auf den vorstehenden Ausführungen unterbreitet der Ombudsmann den Parteien den folgenden Schlichtungsvorschlag:

E. SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

  1. Anbieter Y reduziert die Rechnung vom 10. März 2016 um CHF 675.00 auf CHF 127.25 und sendet Herrn X eine neue Rechnung mitsamt Einzahlungsschein zu.
  2. Herr X bezahlt die Rechnung gemäss Ziffer 1 innert 20 Tagen nach Erhalt.

  3. Nach Erfüllung von Ziffer 2 erklären sich die Parteien per Saldo aller Ansprüche vollständig auseinandergesetzt.

  4. Dieser Schlichtungsvorschlag wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.

Bern, 27. Juni 2016

Dr. Oliver Sidler
Ombudsmann