Auch der Spam-Ordner muss überprüft werden
Herr X beanstandete, nur Mahnungen jedoch keine Rechnungen für seine Abonnements zu erhalten. Infolge einer zweitätigen Sperrung der Dienste durch den Anbieter verlangte er ausserdem die vorzeitige Kündigung. Im Schlichtungsverfahren stellte sich heraus, dass sich die per E-Mail zugestellten Rechnungen im Spam-Ordner des Kunden befanden. Der Ombudsmann hielt fest, dass es im Kompetenzbereich des Kunden liege, auch den Spam-Ordner zu überprüfen. Der Ombudsmann erläuterte weiter, dass Mahngebühren eingefordert werden können, sofern diese betragsmässig im Vertrag zwischen den Parteien vereinbart wurden. Dem Kontoauszug konnte entnommen werden, dass die Rechnungen nur teilweise oder verspätet bezahlt wurden. Da pro Rechnung ein bestimmter Verfalltag vereinbart wurde, geriet Herr X nach Ablauf dieses Tages ohne Mahnung in Verzug. Weiter war der Anbieter gemäss AGB befugt, die Dienste bei Zahlungsverzug zu unterbrechen. Somit erfolgten sowohl die Mahnungen als auch die Sperrung korrekt. Zum Kündigungsbegehren des Kunden hielt der Ombudsmann fest, dass Dauerschuldverhältnisse wie z.B. der Abonnementvertrag jederzeit aus wichtigem Grund aufgelöst werden können. Dies setzt einen Vertrauensbruch einer Partei voraus, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die andere Partei unzumutbar werden lässt. Da der Ombudsmann keine Unrechtmässigkeit im Handeln von Anbieter Y erkennen konnte, konnte er dem Kündigungsbegehren des Kunden nicht entsprechen.
SCHLICHTUNGSVORSCHLAG
Am 13.07.2023 leitete der Ombudsmann ein Schlichtungsverfahren zwischen den Parteien ein. In diesem Zusammenhang prüfte er die Eingabe des Kunden samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte beim betroffenen Anbieter eine Stellungnahme ein. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen unterbreitet der Ombudsmann den vorliegenden Schlichtungsvorschlag.
Der Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente des Kunden als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.
A. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN
Dem Schlichtungsbegehren von Herrn X wird Folgendes entnommen:
„(...) Hab ihnen per Tel.geschildert ein wenig geschildert seit Monate lang habe Problemen mit Anbieter Y mit Rechnungen, sie senden keine Rechnungen den schicken sie Mahnung Fr.15 Das ist abzocken jeden Monat müsste anrufen uns klären.
Wir haben zwei Abo 07XXXXXXXX und von meine Tochter 07YYYYYYYY habe Rechnungen immer Bezahlt, den hatte mal satt Mahnung zu Bezahlen Fr.15 Ich bin Rentner sogar Den habe in März telefoniert mir einem Vorgesetzter dort weiss nicht wie der Heist Er sprach mir schwere deutsche Akzent, habe Ihn mittgeteilt das ich Monat März werde die Mahngebühren abziehen der war einverstanden ‚aber von Kontoaufzug ist nicht gelöscht worde das ist bschiss. Bitte schauen sie habe Rechnungen Bezahlt, eigentlich die Rechnung Juni habe aus der Spam herausgeholt, Habe sofort Bezahlt siehe Rechnung Habe Ihnen per e mail geschrieben sie haben unsere Telefon Anschluss gesperrt seit anfangs Juni können wir nicht telefonieren von Natel aus auch von meine Tochter , Festnetz Nummer/ Internet habe von Anbieter Z sogar mir den Festnetz kann Anbieter Y nicht mal anrufen das wir uns verständigen Können das ist furchtbar. Ich habe Anbieter Y gekündet in Juni 2023 habe andere Anbieter , bitte ich möchte fristlos Anbieter Y verlassen die sind so gemein und Betrügerisch , Monat Juli werde nicht bezahlen Sie haben uns gesperrt Ich bitte sie um Ihren Antwort wie gesagt ich möchte fristlos gehen von Anbieter Y“
B. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS
Der Stellungnahme von Anbieter Y wird Folgendes entnommen:
„Herr X erhaltet die Rechnung per E-Mail an kunde.x@xyz.ch. In der Beilage erhalten Sie einen Kontoauszug. Am 27. April 2023 wurden CHF 19.65, am 17. Juli 2023 CHF 69.35 aus Kulanz gutgeschrieben, die Mahngebühren wurden storniert und Kontoauszüge mit Einzahlungsschein zugestellt. Jedoch wurden am 3. Juli 2023 die Dienste wegen Nichtzahlung für 2 Tage blockiert. Beachten Sie bitte, dass am 2. Juli 2023 die Rechnung vom 2. Mai 2023 CHF 73. 70 und 1. Juni 2023 CHF 60.75 ausstehend waren.“
C. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN
Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann die Schlichtungsstelle für Kommunikation bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements der Schlichtungsstelle für Kommunikation geregelt: Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.
Die Schlichtungsstelle prüfte die eingereichten Unterlagen und konnte keine offensichtliche Missbräuchlichkeit gemäss Art. 45 Abs. 2 FDV feststellen.
Herr X setzte sich vermehrt mit dem Kundendienst von Anbieter Y bzgl. der Rechnungsstellung von Anbieter Y in Verbindung. Die Parteien konnten keine Einigung finden.
Herr X legte seinen Versuch zur Einigung mit Anbieter Y glaubhaft dar. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.
D. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNS
1. Ausgangslage und Problemstellung
Im vorliegenden Schlichtungsverfahren geht es um die Frage, ob Anbieter Y Herrn X die Kosten für seine Abonnements „X“ zur Nummer 0XX XXX XX XX und „Y“ zur Nummer 0YY YYY YY YY korrekt in Rechnung stellte. Weiter stellt sich die Frage, ob Anbieter Y zu Recht die Dienste von Herrn X für zwei Tage sperrte und ob Herr X kostenfrei vorzeitig aus dem Vertrag austreten kann.
Der Ombudsmann prüft die Sach- und Rechtslage und stellt den Parteien einen Lösungsvorschlag zu.
2. Zu den Mahngebühren
2.1. Allgemeines
Der Ombudsmann möchte vorwegnehmen, dass Anbieter Mahngebühren und weitere Gebühren, wie die sogenannten Sperr- oder Aktivierungsgebühren, von ihrer Kundschaft einfordern können, sofern solche Gebühren betragsmässig im Vertrag zwischen den Parteien vereinbart worden sind. Vertragsbestandteil bilden auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (nachfolgend AGB) des Anbieters, sofern diese der Kundschaft in geeigneter Weise zur Kenntnis gebracht wurden. Das Bundesgericht legte in BGE 84 II 266 E. 2 sowie in BGE 135 III 1 Erw. 2.5 fest, unter welchen Voraussetzungen AGB-Klauseln gültig vereinbart werden können. Das erwartete Ereignis und der Umfang der Anpassung müssen bereits in den Grundzügen vertraglich festgelegt worden sein. Ein Vertrag kommt nur zustande, wenn der Leistungsinhalt sowie der Leistungsumfang mindestens bestimmbar sind. Analog verhält es sich mit den Bestimmungen in den AGB, da diese ja auch Bestandteil des Vertrags sind.
Einige AGB setzen Kundinnen und Kunden nach Ablauf der Zahlungsfrist ohne weitere Ankündigung in Verzug (sog. Verfalltagsabrede). Den Anbietern wäre es so möglich, ohne vorgängige kostenlose Erinnerung direkt Mahngebühren zu verlangen. Eine kostenlose Mahnung, durch welche eine Zahlungsnachfrist eingeräumt wird, ist für die Kundinnen und Kunden eine letzte Chance, die einschneidenden Folgen der Wahlrechte gemäss Art. 107 OR (Obligationenrecht / SR 220) abzuwenden. Werden die Kundinnen und Kunden ohne Mahnung in Verzug gesetzt, sehen sie sich mit Zins- und Schadenersatzpflichten konfrontiert. Im deutschen Recht ist es nicht möglich, solche Verfalltagsabreden über die AGB zu vereinbaren. In der Schweiz bietet die Ungewöhnlichkeitsregel sowie Art. 8 UWG (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb / SR 241) Schranken für eine solche Vereinbarung. Eine Verfalltagsabrede sollte eine bewusste Vereinbarung zwischen den Parteien sein und nicht lediglich im Kleingedruckten der AGB geregelt werden. Es sollte somit nicht bloss in den AGB, sondern ausdrücklich im Vertrag vermerkt sein, dass beim Versand der ersten Mahnung bereits Gebühren auferlegt werden ((Rusch, Arnold F., in AJP, 2021Seite 1131 ff.).
2.2. Im vorliegenden Fall
Herr X ging am 30. August 2021 den Vertrag „X“ zur Nummer 07X XXX XX XX und am 28. Dezember 2021 einen Vertrag „Y“ zur Nummer 07Y YYY YY YY für jeweils CHF 30.- ein. Der Kunde führt in seinem Schlichtungsbegehren aus, dass Anbieter Y ihm jeweils keine Rechnungen zusendet, sondern lediglich Mahnungen. Der Kunde reklamierte vermehrt telefonisch und per E-Mail beim Anbieter.
Dem Ombudsmann liegen keine Vertragskopien und keine detaillierten Rechnungen vor. Der Stellungnahme von Anbieter Y entnimmt der Ombudsmann ein vollständiges Entgegenkommen bzgl. der Mahngebühren:
Anbieter Y führt in der Stellungnahme vom 29. Juli 2023 aus, dass die Mahngebühren storniert wurden.
Aufgrund des vollumfänglichen Entgegenkommens des Anbieters erübrigen sich weitere Ausführungen des Ombudsmanns bzgl. der Mahngebühren.
3. Sperrung der Dienste
3.1 Zum Sachverhalt
Dem Ombudsmann liegen keine detaillierten Rechnungen vor, lediglich der Kontoauszug des Kunden. Aus dem eingereichten Kontoauszug von Herrn X geht hervor, dass der Kunde seine Rechnungen unregelmässig und jeweils nicht korrekt bezahlte. Beispielsweise bezahlte er die Rechnung vom 1. Februar 2023 in Höhe von CHF 73.- mit CHF 78.- erst am 5. April 2023, obwohl diese bereits Ende Februar fällig war. Schliesslich zahlte er CHF 38.90 am 13. April 2023 und CHF 19.65 am 27. April 2023 ein, nachdem er Rechnungen am 31. März 2023 in Höhe von CHF 59.35 und am 30. April 2023 in Höhe von CHF 58.55 erhielt. Der Anbieter führt in seiner Stellungnahme aus, dass am 27. April 2023 CHF 19.65 und am 17. Juli 2023 CHF 69.35 aus Kulanz gutgeschrieben sowie die Mahngebühren storniert wurden. Der Ombudsmann nimmt an, dass die verspätete Bezahlung der Rechnung vom Februar zu einer Mahngebühr führte, welche der Kunde von den Folgerechnungen abzog und deswegen nur Teilbeträge einzahlte. Diese Rechnungen führten nicht zur Sperrung der Dienste, weshalb sich weitere Ausführungen dazu erübrigen.
Der Anbieter führt aus, dass sie die Dienste von Herrn X am 3. Juli 2023 für 2 Tage blockierten, da der Kunde die Rechnung vom 2. Mai 2023 in Höhe von CHF 73.70 und die Rechnung vom 1. Juni 2023 in Höhe von CHF 60.75 bis dahin nicht vollständig beglich. Aus dem Kontoauszug geht hervor, dass am 9. Juni 2023 eine Zahlung des Kunden in Höhe von CHF 58.70 einging, obwohl ein Betrag von gesamthaft CHF 188.80 ausstand. Am 5. Juli 2023 bezahlte der Kunde CHF 60.75 ein, trotz offenem Rechnungsbetrag von gesamthaft CHF 214.25. Der Kunde beschwerte sich in dieser Zeit beim Anbieter über die erhaltenen Mahngebühren sowie das Nichterhalten der Rechnungen.
3.2. Zum Zahlungsverzug
Herr X bezahlte die Rechnung vom 2. Mai 2023 in Höhe von CHF 73.70 und die Rechnung vom 1. Juni 2023 in Höhe von CHF 60.75 nicht vollständig. Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sieht vor, dass Rechnungen vor dem Fälligkeitsdatum beanstandet werden müssen. Ansonsten gelten sie als akzeptiert. Vorliegend war die Rechnung vom 2. Mai 2023 bis zum 31. Mai 2023 und die Rechnung vom 1. Juni 2023 bis zum 30. Juni 2023 bezahlbar. Gemäss Schlichtungsbegehren des Kunden holte er die Rechnung aus dem Spamordner seines Mailprogramms, weshalb die Bezahlung zu spät erfolgte. Der Kunde setzte sich direkt nach Kenntnisnahme der Rechnung mit dem Anbieter in Verbindung. Die Beanstandung durch den Kunden erfolgte somit nicht fristgerecht. Eine fristgerechte Beanstandung ändert an der Fälligkeit der Rechnung sowie des danach eintretenden Zahlungsverzugs rein rechtlich gesehen nichts. Herr X befand sich somit nach Ablauf der Zahlungsfrist in Zahlungsverzug.
Beim Zahlungsverzug handelt es sich um die in der Praxis bedeutendste Form der Leistungsstörung (Wolfgang Wiegand, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Balser Kommentar zum Obligationenrecht I, 6. Auflage, Zürich und Bern 2015, Vorbemerkungen zu Art. 102 – 109, N 1). Die Modalitäten des Zahlungsverzugs werden in Art. 102 ff. OR (Obligationenrecht / SR 220) geregelt. Da vorliegend pro Rechnung ein bestimmter Verfalltag verabredet wurde, gerät der Schuldner ohne Mahnung bereits bei Ablauf dieses Tages in Verzug. Die Verzugszinsen werden in Art. 104 Abs. 1 OR – sofern keine abweichende vertragliche Regelung vorgenommen wurde – auf 5% festgelegt. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich nicht um zwingendes Recht. Daher können vertraglich andere Regelungen getroffen werden.
Herr X stimmte bei Vertragsschluss auch den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (nachfolgend AGB) von Anbieter Y zu. In Ziffer x und y wird folgendes festgehalten: „6. Zahlungsbedingungen (...) Begründete Einwände gegen die Rechnung muss der Kunde begründet innert 30 Tagen an Anbieter Y richten. Andernfalls gilt die Rechnung als vom Kunden akzeptiert. (...) z. Verzug: Kommt der Kunde seiner Zahlungspflicht innert der Zahlungsfrist nicht nach bzw. verzichtet er auf einen begründeten Einwand, so gerät er mit Ablauf dieser Frist ohne weitere Mahnung in Verzug und hat Verzugszinsen von 6% zu bezahlen. Verzug tritt auch ein, wenn ein Teilbetrag der Rechnung bestritten wird und der unbestrittene Teil nicht bezahlt wird oder wenn Anbieter Y den Einwand des Kunden als unbegründet zurückgewiesen hat. Gemäss Ziff. xx oder yy darf Anbieter Y sodann die Dienstleistungen sperren und den Vertrag kündigen. Dem Kunden werden Mahngebühren in Rechnung gestellt.“
Die Parteien vereinbarten also bei Vertragsschluss eine von Art. 102 ff. OR abweichende Vorgehensweise bei Zahlungsverzug: Anbieter Y ist befugt, die Dienste bei Zahlungsverzug zu unterbrechen sowie den Vertrag vorzeitig zu kündigen. Mahnungen können, müssen aber nicht versandt werden. Für eine Mahnung kann eine Gebühr von CHF 30.- in Rechnung gestellt werden. Das Vorgehen von Anbieter Y, die Dienste bei Zahlungsverzug zu sperren, erfolgte somit im Einklang mit den AGB. Der Ombudsmann erachtet das Vorgehen des Anbieters nicht als stossend, da zudem die Dienste lediglich für zwei Tage deaktiviert waren und der Anbieter die Rechnung dem Kunden wie vereinbart per E-Mail zusandte. Es liegt im Kompetenzbereich des Kunden, auch den Spamordner seines Mailprogramms zu überprüfen. Falls Herr X die Rechnungen künftig per Post erhalten möchte, hat er dies dem Anbieter mitzuteilen. Es ist zu beachten, dass die meisten Anbieter für die Zustellung einer Papierrechnung eine Gebühr erheben. Aktuell ist ein Rechnungsbetrag in Höhe von CHF 84.15 ausstehend.
4. Zur vorzeitigen Kündigung
4.1. Allgemeines
Die vorzeitige Auflösung eines Vertragsverhältnisses ist in den Standardverträgen der Anbieter praktisch durchwegs enthalten und hat für die Kundschaft meist auch finanzielle Folgen. Für diverse Vertragsarten ist die vorzeitige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund gesetzlich geregelt. So beispielsweise im Arbeitsrecht (Art. 337 OR / Obligationenrecht / SR 220). Die Vertragsauflösung aus wichtigem Grund kann auch vertraglich zwischen den Parteien vereinbart werden, sofern die vertragliche Bestimmung nicht zwingendem Gesetzesrecht widersprechen.
Ein Vertrag über Fernmeldedienstleistungen stellt ein Dauerschuldverhältnis (analog Miet- oder Arbeitsvertrag) dar. Dieses wird gesetzlich nicht geregelt. Gemäss Lehre und Rechtsprechung entspricht es einem allgemeinen Grundsatz, dass auch gesetzlich nicht geregelte Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden können (BGE 128 III 428, E.3). Dies gilt für sämtliche Dauerschuldverhältnisse, auch wenn die Parteien vertraglich keine Regelung zur Vertragsauflösung aus wichtigem Grund getroffen haben (Marc Wolfer, Die vertragliche Regelung der Vertragsauflösung «aus wichtigem Grund», in: AJP 2014 S. 621 ff.). Denn der Vertrag wird nicht mit einer einmaligen, sondern mit wiederholten Leistungen erbracht. Es erfolgt eine dauerhafte Zusammenarbeit, welche ein gewisses Mass an Vertrauen zwischen den Parteien voraussetzt. Daher gelten Dauerschuldverhältnisse unter dem Vorbehalt der Auflösung aus wichtigem Grund. Das Vertrauensverhältnis zwischen Kundinnen und Kunden und Anbietern beruht im Gegensatz zu besonderen privatrechtlichen Vertragsverhältnissen (Mietvertrag, Arbeitsvertrag) jedoch nicht primär auf persönlicher Verbundenheit, sondern auf rein geschäftlichen Interessen.
Wird das Vertrauen durch eine Partei gebrochen, sodass die Fortsetzung der vertraglichen Beziehung für die andere Partei unzumutbar erscheint, kann diese den Vertrag aus wichtigem Grund vorzeitig – d.h. vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit – auflösen. Ein wichtiger Grund bezieht sich auf die Unzumutbarkeit, die Vertragsbeziehungen mit einer Partnerin oder einem Partner fortzuführen, die bzw. der eine schwere Vertragsverletzung begangen und somit das zwischen den Parteien bestehende Vertrauensverhältnis erschüttert hat. Die Vertragsauflösung aus wichtigem Grund dient dem Schutz der Persönlichkeit im Sinne von Art. 27 ZGB (Schweizerisches Zivilgesetzbuch / SR 210). Da die Fortführung der vertraglichen Bindung eine unzumutbare Einschränkung der Persönlichkeitsrechte der einen Partei darstellen würde, soll sich diese von der Vertragsbindung befreien können (BGE 128 III 428 E. 3c, S. 431f.).
Ob ein wichtiger Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung vorliegt, ist ein Ermessensentscheid (Art. 4 ZGB / Schweizer Zivilgesetzbuch / SR 210). Hierfür wird eine Interessensabwägung unter Beachtung der konkreten Umstände vorgenommen (BGE 128 III 428 E. 4). Gemäss Rechtsprechung rechtfertigt eine besonders schwere Pflichtverletzung der anderen Partei eine Vertragsauflösung aus wichtigem Grund (BGE 127 III 310, Erw. 3; BGE 121 III 467 Erw. 4d). Ist die Pflichtverletzung weniger schwerwiegend, kann sie nur dann zu einer sofortigen Vertragsauflösung aus wichtigem Grund führen, wenn sie trotz Abmahnung wiederholt wurde (anstelle von vielen: BGE 127 III 310 Erw. 3). So können mehrere Vertragsverletzungen, die einzeln betrachtet nicht schwerwiegend genug sind, dennoch eine vorzeitige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit geeignet sind, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien endgültig zu zerstören (Marie-Noëlle Venturi-Zen-Ruffinen, La résiliation pour justes motifs des contrats de durée, Arbeiten aus dem juristischen Seminar der Universität Freiburg Schweiz, 264, Rz. 412, Zürich 2007 und zitierte Verweise).
Liegt ein wichtiger Grund vor kann der Vertrag fristlos per sofort ohne Kostenfolge aufgelöst werden.
4.2. Im vorliegenden Fall
Nach Ansicht des Ombudsmanns liegt im vorliegenden Fall kein wichtiger Grund zur Auflösung des Vertragsverhältnisses vor. Der Anbieter ist korrekt bei der Zusendung und Erstellung der Rechnungen vorgegangen. Zudem hat Anbieter Y im Einklang mit den AGB die Dienste des Kunden für zwei Tage gesperrt. Anbieter Y ist dem Kunden entgegengekommen und hat die Mahngebühren storniert. Der Kunde hat die Möglichkeit, seine Verträge unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsmodalitäten aufzulösen.
Sollte die Umsetzung dieses Schlichtungsvorschlags bereits vor der beidseitigen Unterzeichnung ganz oder teilweise erfolgt sein, so gilt die Vereinbarung in diesem Punkt als erfüllt. Diesbezügliche Rechte und Pflichten fallen dahin.
E. SCHLICHTUNGSVEREINBARUNG
- Die Parteien nehmen zur Kenntnis, dass Anbieter Y die Mahngebühren im Kundenkonto von Herrn X stornierte und eine Gutschrift am 27. April 2023 in Höhe von CHF 19.65 und am 17. Juli 2023 in Höhe von CHF 69.35 erstellte.
- Die Parteien nehmen zur Kenntnis, dass Anbieter Y aufgrund des entstandenen Zahlungsverzugs die Dienste von Herrn X am 3. Juli 2023 sperrte. Der Anbieter sendet die Rechnungen jeweils an Herrn Xs E-Mail-Adresse kunde.x@xyz.ch. Wünscht Herr X die Zustellung per Post, hat er dies dem Anbieter mitzuteilen.
- Im Kundenkonto von Herrn X besteht ein offener Ausstand in Höhe von CHF 142.25. Herr X bezahlt den Betrag von CHF 142.25 in zwei Raten zu CHF 71.10 und 71.15 wie folgt: Erste Rate zu CHF 71.10 per 30. November 2023 Zweite Rate zu CHF 71.15 per 30. Dezember 2023 Anbieter Y sendet Herrn X mindestens eine Woche vor Fälligkeit der Raten Einzahlungsscheine zur Bezahlung der Raten gemäss Ziff. E.2 zu. Ist der Kunde mit einer Rate in Verzug, wird der gesamte Betrag fällig.
- Herr X hat die Möglichkeit, seine Verträge unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsmodalitäten aufzulösen.
- Diese Schlichtungsvereinbarung wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.