Herausgabe des PIN/PUK an die Erben
Frau Z fordert von Anbieter Y die Herausgabe des PIN/PUKs, um auf die SIM-Karte ihrer verstorbenen Mutter, Frau X (†) zugreifen zu können. Anbieter Y führt aus, dass er dafür eine Kopie der Sterbeurkunde benötige, wonach die gewünschten Daten der Erbengemeinschaft zugestellt werden könnten. Mit Bezeichnung eines Erbenvertreters könnte sich das Vorgehen beschleunigen lassen. Der Ombudsmann hält fest, dass infolge der Universalsukzession auch der „A“ Account von Frau X (†) als Bestandteil des Vertragsverhältnisses auf die Erben überging, die den Auskunftsanspruch auch einzeln durchsetzen können. Dass der Anbieter dafür eine Sterbeurkunde verlangt, ist nicht zu beanstanden. Zudem hält der Ombudsmann fest, dass dem Anbieter auch eine Erbenbescheinigung vorgelegt werden muss. Datenschutzrechtliche Einschränkungen kann der Ombudsmann aufgrund der rechtmässigen Datenbearbeitung nicht erkennen.
SCHLICHTUNGSVORSCHLAG
Am 16.8.2024 leitete der Ombudsmann ein Schlichtungsverfahren zwischen den Parteien ein. In diesem Zusammenhang prüfte er die Eingabe der Kundin samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte beim betroffenen Anbieter eine Stellungnahme ein. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen unterbreitet der Ombudsmann den vorliegenden Schlichtungsvorschlag.
Der Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente der Kundin als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.
A. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN
Dem Schlichtungsbegehren von Frau X (†), vertreten durch Frau Z, wird Folgendes entnommen:
„Ich möchte die Beerdigung meiner kürzlich verstorbenen Mutter, Frau X, organisieren. Sie hat ein Natel hinterlassen, in dem die Telefonnummern ihrer engsten Freunde und Bekannten gespeichert sind. Leider habe ich weder PIN noch PUK für den Zugang zum Telefonbuch. Anbieter Y hat mein Gesuch abgelehnt mit Verweis auf den Datenschutz. Erstens kann ich diese Begründung nicht nachvollziehen und zweitens verhindert Anbieter Y dadurch, dass wir alle betroffenen Personen rechtzeitig über die Beerdigung, die am 28. August 2024 in X stattfinden wird, informieren können. Wir sind absolut nicht einverstanden mit diesem Vorgehen, das weder ethisch noch moralisch zu rechtfertigen ist. Stattdessen wurde ich vom Support gefragt, ob ich die Nummer behalten möchte oder das Abo kündigen wolle. Das war offenbar trotz Datenschutz möglich. Für mich ist dieses Verhalten widersprüchlich, zumal ich zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Todesfallbescheinigung eingereicht hatte. Ich erwarte von Anbieter Y, dass sie mein Anliegen noch einmal prüft und eine Interessenabwägung vornimmt. Ich komme mir wie ein Datendieb vor, dabei möchte ich nur eine würdige Beerdigung vorbereiten. Danke für die Wiedererwägung. Da die Einladungen bis spätestes nächsten Mittwoch verschicket werden können bzw. die Personen zumindest telefonisch kontaktiert werden sollen, bitte ich um raschmöglichste Behandlung meines Anliegens.“
B. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS
Der Stellungnahme von Anbieter Y wird Folgendes entnommen:
„Zunächst möchten wir unser aufrichtiges Beileid für den Verlust der Familie X aussprechen.
Nach eingehender Prüfung der Situation möchten wir Ihnen die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen:
Wir verweisen auf unsere App „A“, wo für die Kunden sämtliche Informationen wie Vertrags- und Rechnungsdetails sowie PIN/PUK abgefragt werden können. Die Kundin verfügte über ein Kunden-Login als Zugang zu „A“ und war befugt, dieses (z.B. dem Ehepartner) weiterzugeben. Eine Zugriffsmöglichkeit auf PIN und PUK bestand somit bereits. Falls niemand aus der Erbengemeinschaft über das Kunden-Login verfügt, können wir die Zugangsdaten zur Verfügung stellen. Wir brauchen dazu eine gut lesbare Kopie der Sterbeurkunde und können nach deren Erhalt die Zugangsdaten wie in unseren Prozessen vorgesehen an die Erbengemeinschaft an die Adresse der verstorbenen Kundin zustellen.
Das Vorgehen lässt sich beschleunigen, wenn wir wissen, mit welcher Vertretung der Erbengemeinschaft wir in Kontakt treten können. Gerne nehmen wir mit der angegebenen Person Kontakt auf, um bei Bedarf die notwendigen Prozessschritte in „A“ zu erklären.
Wir bitten um Ihr Verständnis, dass diese Informationen notwendig sind, um die rechtlichen Vorgaben für die Datenübermittlung einzuhalten und die Sicherheit der sensiblen Informationen zu gewährleisten.
Vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung in dieser Angelegenheit. Sollten Sie weitere Fragen haben oder zusätzliche Informationen benötigen, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.“
C. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN
Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann die Schlichtungsstelle für Kommunikation bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements der Schlichtungsstelle für Kommunikation geregelt: Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.
Die Schlichtungsstelle prüfte die eingereichten Unterlagen und konnte keine offensichtliche Missbräuchlichkeit gemäss Art. 45 Abs. 2 FDV feststellen.
Frau Z verlangte am 15. August 2024 per E-Mail von Anbieter Y die Herausgabe des PINs/PUKs, um die SIM-Karte ihrer verstorbenen Mutter entsperren zu können. Dies blieb jedoch ohne Erfolg. Die Kundin legte ihren Versuch zur Einigung mit Anbieter Y glaubhaft dar. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.
D. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNES
1. Ausgangslage und Problemstellung
Im vorliegenden Schlichtungsverfahren geht es um die Frage, ob Anbieter Y die Herausgabe des PINs/PUKs von Frau X (†) an deren Tochter Frau Frau Z zu Recht verweigerte.
Der Ombudsmann prüft die Sach- und Rechtslage und stellt den Parteien einen Lösungsvorschlag zu.
2. Zur Streitigkeit
Frau Frau Z macht geltend, dass Anbieter Y ihr Begehren auf Herausgabe des Pins/PUKs ihrer kürzlich verstorbenen Mutter zu Unrecht mit Verweis auf deren Datenschutz ablehnte. Ohne Zugriff auf das auf der SIM-Karte gespeicherte Adressbuch der Mutter könne sie die betroffenen Personen nicht rechtzeitig über die am 28. August 2024 stattfindende Beerdigung informieren. Zudem sei die Verweigerung widersprüchlich, da der Kundendienst sie bereits ohne Vorweisung der Sterbeurkunde wählen lassen habe, ob sie die Nummer der verstorbenen Mutter behalten möchte oder den Abonnementsvertrag kündigen wolle.
Anbieter Y hingegen stellt sich im Telefongespräch mit der Schlichtungsstelle vom 16. August 2024 auf den Standpunkt, dass die in Frage stehenden Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht direkt auf Anfrage der Tochter herausgegeben werden könnten. Der Stellungnahme ist zu entnehmen, dass Anbieter Y die Zugangsdaten der Kundin für ihr „A“ Login nur der Erbengemeinschaft nach Vorweis der Sterbeurkunde herausgibt. Wird Anbieter Y eine Vertreterin oder ein Vertreter der Erbengemeinschaft bezeichnet, so lasse sich der Prozess beschleunigen, da sich der Anbieter direkt mit dieser Person in Verbindung setzen könne.
In der Folge ist zu prüfen, ob Anbieter Y aus datenschutzrechtlichen Gründen berechtigt war, die Herausgabe des PINs/PUKs von Frau X (†) im Rahmen der Anfrage von Frau Frau Z vom 15. August 2024 zu verweigern.
2.1. Zum Auskunftsrecht der Erben
Nach dem Grundsatz der sog. Universalsukzession (Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB) gehen die bestehenden Vertragsverhältnisse des Erblassers auf die Erben über, soweit sie vererbbar sind. Die Erben treten also grundsätzlich in die Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Aus dem Grundsatz der Universalsukzession folgt zudem, dass auch vertragliche Auskunftsansprüche auf die Erben übergehen, sofern diese nicht höchstpersönliche Rechte des Erblassers betreffen (siehe auch BGE 133 III 664, E. 2.5; BGE 89 II 87, E. 6). Für die Durchsetzung der Auskunftsansprüche besteht keine notwendige Streitgenossenschaft der Erbengemeinschaft. Dies bedeutet, dass der Auskunftsanspruch jedem Erben einzeln zusteht und sie ihn nicht zwingend gemeinsam geltend machen müssen. Jeder Erbe kann diesbezüglich also alleine handeln (BGE 133 III 664, E. 2.5; BGE 89 II 87, E. 6; BGE 82 II 555, E.7; siehe auch Göksu, Informationsrechte der Erben, in: Aktuelle Juristische Praxis, 2012, S.959). Die Auskunftsansprüche der Erben beziehen sich auf alles, worüber der Vertragspartner dem Erblasser gegenüber auskunftspflichtig war (Lötscher, Das erbrechtliche Schicksal von Accounts bei Facebook, Google, Apple & Co., in: successio 2020, S. 311). Der Auskunftsanspruch der Erben beurteilt sich also nach dem konkreten Vertragsverhältnis, in das sie eingetreten sind. Gewisse Berufsgeheimnisse wie beispielsweise das Anwalts- oder Arztgeheimnis sind hierbei speziell zu behandeln (Göksu, Informationsrechte der Erben, in: AJP, 2012, S. 960).
Im vorliegenden Fall ging mit Tod der Erblasserin auch ihr „A“ Account – der schliesslich auch Teil des Vertragsverhältnis bildet – auf die Erben über. Der Anbieter war der verstorbenen Kundin diesbezüglich auskunftspflichtig. Korrekterweise verwehrt Anbieter Y den Erben die Zugangsdaten für den „A“ Account auch nicht. Zunächst schränkt er das Auskunftsrecht der Erben insofern ein, als er eine Sterbeurkunde verlangt. Dies ist nicht zu beanstanden, schliesslich benötigt der Anbieter einen Nachweis, dass die betroffene Kundin oder der betroffene Kunde tatsächlich verstorben ist. Weiter macht der Anbieter in der Stellungnahme geltend, dass die Zugangsdaten in der Folge an die Erbengemeinschaft geschickt werden können. Dem Ombudsmann erschliesst sich nicht vollständig, ob der Anbieter damit meint, dass alle Erben notwendigerweise für die Erlangung der Auskunft gemeinsam handeln müssen oder ob er die Zugangsdaten lediglich zu Handen der ganzen Erbengemeinschaft an die Adresse der Verstorbenen zustellen wird. Anbieter Y führt zudem aus, dass sich das Vorgehen beschleunigen lässt, wenn bekannt ist, mit welcher Vertreterin beziehungsweise mit welchem Vertreter der Erbengemeinschaft der Anbieter in Kontakt treten sollte. Nach dem Gesagten hält der Ombudsmann fest, dass Anbieter Y vertraglich verpflichtet ist, die Informationen auch einem Erben oder einer Erbin separat zuzustellen, wenn diese das wünscht. Es ist nicht notwendig, dies über einen Vertreter beziehungsweise eine Vertreterin der Erbengemeinschaft abzuwickeln, da die Erben in dieser Hinsicht nicht gemeinsam handeln müssen. Der Ombudsmann kommt somit zum Schluss, dass Anbieter Y den PIN/PUK von Frau X (†) grundsätzlich jedem Erben und jeder Erbin herauszugeben hat, der oder die dies verlangt. Dafür muss der Anbieter nach Ansicht des Ombudsmannes jedoch eine Erbenbescheinigung verlangen, damit er sicher sein kann, dass die betroffene Person auch Erbenstellung hat. Auch wenn Frau Z als Tochter von Frau X (†) grundsätzlich gesetzliche Erbin ist, ist ein derartiger Nachweis nötig, um sicherzustellen, dass keine Enterbung o.ä. stattgefunden hat. In der Folge ist nun noch zu prüfen, ob Anbieter Y aus datenschutzrechtlichen Gründen berechtigt ist, das Auskunftsrecht der Erben einzuschränken.
2.2. Zu datenschutzrechtlichen Einschränkungen des Auskunftsrechts der Erben
Das Datenschutzgesetz (DSG/SR 235.1) schützt alle Angaben, die sich auf eine bestimmte Person beziehen (Art. 2 DSG). Das DSG steht einer Zugangsgewährung an die Erben entgegen, wenn es sich hierbei um eine unzulässige Datenverarbeitung handelt. Die Datenverarbeitung im Rahmen und zum Zweck der Abwicklung eines Vertragsverhältnisses wird als rechtmässig angesehen (Lötscher, Das erbrechtliche Schicksal von Accounts bei Facebook, Google, Apple & Co., in: successio 2020, S. 323). Da die Erben den PIN/PUK der Verstorbenen benötigen, um auf die SIM-Karte zuzugreifen, die infolge des Übergangs der vertraglichen Rechte und Pflichten Gegenstand ihres Vertrags mit Anbieter Y bildet, handelt es sich hierbei um eine rechtmässige Datenbearbeitung. Der Ombudsmann kann im vorliegenden Fall aus diesem Grund keine aus dem Datenschutzgesetz herrührende Einschränkungen des Auskunftsrechts der Erben erkennen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Anbieter Y im vorliegenden Fall nicht berechtigt ist, die in Frage stehenden Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen zurückzubehalten. Da jedoch Frau Z dem Anbieter mit E-Mail vom 15. August 2024 keine Erbenbescheinigung zustellte, war der Anbieter zu diesem Zeitpunkt auch nicht verpflichtet, die Daten einer einzelnen Erbin herauszugeben. Reicht Frau Frau Z in der Folge eine Erbenbescheinigung ein, so hat der Anbieter ihr die Daten direkt herauszugeben. Alternativ kann die Herausgabe auch wie von Anbieter Y vorgeschlagen über einen Erbenvertreter abgewickelt werden.
Diesen Vorschlag erachtet der Ombudsmann unter den gegebenen Umständen als sachgerecht.
Sollte die Umsetzung dieses Schlichtungsvorschlags bereits vor der beidseitigen Unterzeichnung ganz oder teilweise erfolgt sein, so gilt die Vereinbarung in diesem Punkt als erfüllt. Diesbezügliche Rechte und Pflichten fallen dahin.
E. SCHLICHTUNGSVEREINBARUNG
- Frau Z informiert die Schlichtungsstelle mit Rückmeldung zum Schlichtungsvorschlag darüber, für welche der beiden folgenden Varianten sie sich entscheidet:
- Anbieter Y stellt Frau Frau Z den PIN/PUK von Frau X (†) an die Adresse von Frau X (†) zu, sofern Frau Frau Z Anbieter Y eine Erbenbescheinigung vorlegt. Sobald Anbieter Y die Erbenbescheinigung vorliegt, versendet Anbieter Y den PIN/PUK von Frau X (†) innert einer Frist von 5 Tagen.
oder
- Frau Z informiert Anbieter Y über die Person des Vertreters oder der Vertreterin der Erbengemeinschaft. Anbieter Y nimmt innert Frist von 5 Tagen seit Kenntnisnahme dieser Person Kontakt mit ihr auf, um die Zustellung des PINs/PUKs von Frau X (†) an die Erbengemeinschaft zu ermöglichen.
- Diese Schlichtungsvereinbarung wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.