Tarife bilden Vertragsbestandteil

Der Kunde verlängert sein bestehendes Abonnement beim Anbieter im Dezember 2016 um weitere 24 Monate. Im April 2017 erfährt der Kunde aus den Medien, dass der Anbieter die Roamingtarife und die Tarife für Gespräche ins Ausland erhöht. Er sieht sich deshalb veranlasst den Vertrag zu kündigen und bezieht sich in seinem Kündigungsschreiben auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters, wonach der Kunde bei einer wesentlichen für ihn nachteiligen Änderung berechtigt ist, den Vertrag innert 30 Tagen nach Mitteilung der Änderung kostenlos zu kündigen. Der Anbieter anerkennt die vorzeitige Kündigung ohne Kostenfolge aus wichtigem Grund nicht. Dies begründet er damit, dass die Tarifänderung nicht Vertragsbestandteil bilde und deshalb keine Vertragsänderung vorliege, die eine frühzeitige Kündigung ohne Kostenfolgen erlaube.

SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

Mit Eingabe vom 28. November 2017 reichte Herr X ein Begehren um Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ein. Der Ombudsmann prüfte diese Eingabe samt allen dazu übermittelten Dokumenten und forderte eine Stellungnahme vom betroffenen Anbieter an. Nach Prüfung der Ausführungen der Parteien und der eingereichten Unterlagen kann der Ombudsmann einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten.

Der vorliegende Schlichtungsvorschlag berücksichtigt sowohl die rechtlichen Bestimmungen, einzelne Argumente des Kunden als auch einzelne Argumente des Anbieters. Rechtliche Erörterungen werden - soweit notwendig - ebenfalls miteinbezogen. Im Rahmen dieses Schlichtungsverfahrens werden nur die wesentlichen Punkte des Schlichtungsbegehrens und der Stellungnahme des Anbieters berücksichtigt. Der Ombudsmann kann die Argumente der Parteien nicht wie in einem Gerichtsverfahren überprüfen.

A. AUSFÜHRUNGEN IM SCHLICHTUNGSBEGEHREN

Dem Schlichtungsbegehren von Herrn X wird Folgendes entnommen:

„Der Mobilfunkanbieter Y AG erhöhte im April 2017 massiv die Roaming-Gebühren. Da ich in die neuen Tarife zwangsgewechselt wurde und nicht mit den neuen teureren Tarifen einverstanden war, habe ich gekündigt. Y AG erkennt die Kündigung nicht an und verlangt eine vorzeitige Vertrgsaufhebungsgebühr. Trotz telefonischem Versprechen das Ganze zu prüfen, wurde die unberechtigte Forderung einfach an ein Inkassobüro übergeben.

Ziel: Ich bitte Sie, festzustellen, dass die Gebühren für die vorzeitige Vertragsauflösung und die Vertragsverlängerung vorliegend nicht geschuldet sind.

Bei meiner Kündigung berufe ich mich auf die AGB von Y AG:

"Sollten Sie mit einer wesentlichen, für Sie nachteiligen Änderung nicht einverstanden sein, sind Sie berechtigt, den Vertrag innert 30 Tagen nach Mitteilung der Vertragsänderung schriftlich zu kündigen. Widersprechen Sie den Änderungen nicht fristgerecht, gelten diese als akzeptiert."

B. STELLUNGNAHME DES ANBIETERS

Der Stellungnahme von Y AG wird Folgendes entnommen:

„Herr X hat seinen Vertrag am 12.12.2016 für 24 Monate verlängert. Er hat das Abonnement „Z“ ausgewählt. Da er kein Handy bezogen hat, erhält der Kunde einen monatlichen Rabatt von CHF 40.00. CHF 10.00 Rabatt für SIM ohne Handy und CHF 30.00 Sonderrabatt.

Mit dem Abonnement „Z“, hat der Kunde 60 Minuten gratis für Anrufe von der Schweiz ins Ausland (Zonen 1 und 2), und einen Spezialtarif von CHF 0.20 pro Minuten für Roaming Gespräche innerhalb der Zonen A und B.

Seit April 2017, wurden unsere Roaming und Internationalen Tarife angepasst. Der Kunde kann aber im Ausland viel günstiger telefonieren und ist von diesem Tarifwechsel somit nicht direkt betroffen.

Der Kunde hat die inklusiven 60 Minuten nie überschritten, bis zu der Rechnung vom 10.05.2017, wo ihm CHF 20.54 verrechnet wurden. Somit hat er erst zu diesem Zeitpunkt gemerkt, dass die Kosten geändert wurden.

Die Tarife für Roaming und für internationale Anrufe sind nicht Bestandteil des Vertrages. Und können gemäss AGB jederzeit angepasst werden. Dies hat lediglich mit den stetig wechselnden Vertragskonditionen unserer Roamingpartner zu tun. Dies haben wir dem Kunden bereits schriftlich am 24.05.2017 mitgeteilt.

Auf unserer Homepage sowie auch durch unsere Travel Info SMS (Einreise ins Ausland), haben wir unsere Kunden über den Tarifwechsel informiert. In unseren AGB ist vermerkt, dass die Preise jederzeit auf der Homepage eingesehen werden können.

Am 20.04.2017 hat der Kunde uns das erste Mal angerufen, um sich über die Tarife zu informieren. Er war damit nicht einverstanden und hat daraufhin einen Brief geschickt.

Im gleichen Monat haben wir ein Kündigungsschreiben erhalten. Dort wurden dem Kunden alle nötigen Informationen zu den Tarifen gegeben und die Kündigungsgebühr wurde ebenfalls erklärt.

Am 08.05.2017 wurde dem Kunden nochmals bestätigt, dass man ohne Gebühren den Vertrag nicht auflösen kann.

Im Juni 2017 hatten wir wieder ein Schreiben von Herrn X erhalten und eine Antwort per E-Mail an seine E-Mail Adresse geschickt. Als Beilage erhalten Sie alle Antworten die wir dem Kunden geschickt haben.

Am 13.06.2017 wurde eine Portierung zu einem anderen Anbieter getätigt. Der Kunde hat somit Folgendes auf dem Portierungsformular angekreuzt:

„Ich möchte meinen aktuellen Anbieter am xx.xx.xxxx verlassen. Dieses Datum liegt vor dem Ende der Vertragslaufzeit. Ich bezahle daher jegliche Gebühren, die sich aus der vorzeitigen Vertragskündigung ergeben.“

Hätte der Kunde diese Option nicht ausgewählt, hätte die Portierung zum Vertragsende stattgefunden und nicht vorher.

Obwohl wir ihm gesagt haben, dass er ohne Kosten nicht kündigen kann, hat er trotzdem eine Portierung veranlasst.

Die Gebühren von CHF 1‘085.14 wurden auf der Rechnung vom 11.07.2017 verrechnet. Wie Sie aus dem Kundenverlauf entnehmen können, hat sich der Kunde seit Mai 2017 nicht mehr telefonisch gemeldet. Sein letzter Brief war datiert vom 07.06.2017 und wir haben dem Kunden eine entsprechende Antwort geschickt.

Der Kunde hat uns also verlassen und seine Nummer wurde zu einem anderen Anbieter übertragen. Nachrichten die wir dem Kunden schickten, wurden von ihm empfangen. Trotz mehrmaliger Aufforderung den offenen Betrag von CHF 1‘224.10 zu zahlen, bekamen wir weder eine Zahlung, noch hat sich der Kunde bei uns gemeldet.

Wir haben mehrere Mahnbriefe und Mahn-SMS geschickt aber Herr X hat darauf einfach nicht reagiert.

Am 02.10.2017 wurde das Dossier an das Inkassobüro weitergeleitet da wir keine Zahlung erhalten haben und der Kunde uns auch nicht kontaktiert hat.

Obgleich der Kunde die Abschlussrechnung, fakturiert am 11.07.2017, nie beanstandet hat, nachdem ihm diese zugestellt wurde, und aus diesem Grund, in unseren Augen der Kunde kein Versuch unternommen hat, hier eine Lösung zu finden, unterbreiten wir folgenden Vorschlag:

Wir bieten an, die Differenz für „internationale Anrufe“ von CHF 12.00 anzupassen. Aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gewähren wir noch eine Gutschrift von CHF 200.00.

Das Dossier bleibt beim Inkassobüro und somit würden wir einfach die Schuld beim Inkasso-Büro um CHF 212.00 reduzieren. Die restliche Schuld muss beim Inkassobüro beglichen werden. Etwaige Datenbankeinträge sind mit dem Inkassobüro zu klären.“

C. EINTRETENSVORAUSSETZUNGEN

Gemäss Art. 12c Abs. 1 des Fernmeldegesetzes (FMG / SR 784.10) und Art. 43 Abs. 1 der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV / SR 787.101.1) kann ombudscom als Schlichtungsstelle bei zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Kundinnen oder Kunden und Anbietern von Fernmelde- oder Mehrwertdiensten angerufen werden. Die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Schlichtungsverfahrens sind in Art. 45 Abs. 2 FDV sowie Art. 8 des Verfahrens- und Gebührenreglements von ombudscom geregelt:

Das Schlichtungsbegehren muss mit dem dafür vorgesehenen Formular eingereicht werden. Die einreichende Partei muss glaubhaft darlegen, dass sie mit der anderen Partei in der Regel während der letzten 12 Monate eine Lösung gesucht hat. Das Schlichtungsbegehren darf nicht offensichtlich missbräuchlich sein und es darf sich kein Gericht oder Schiedsgericht mit der Sache befassen oder befasst haben.

Herr X beschwert sich mit E-Mail vom 29. April 2017 über die Erhöhung der Roaming-Tarife. Er sei nicht einverstanden und verlange daher die sofortige Kündigung seines Abonnements. Er berufe sich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Seine Rufnummer werde er in ein Prepay umwandeln, damit er sich nach seinen Ferien einen neuen Anbieter suchen kann.

Y AG bringt mit E-Mail vom 4. Mai 2017 Erklärungen zum Abonnement von Herrn X vor. Man habe nicht feststellen können, dass er aufgrund der Anpassung der Roaming-Tarife mehr bezahlen müsse. Eine Umwandlung seiner Rufnummer zu Prepay sei nur mit einer Gebühr von CHF 1'152.09 für die Vertragskündigung möglich (CHF 296.88 vorzeitige Verlängerung, CHF 855.21 vorzeitige Vertragsauflösung). Als Vertragsende sei der 14. Dezember 2018 eingegeben.

Mit E-Mail vom 26. Mai 2017 informiert Y AG, dass die Roaming-Tarife nicht Vertragsbestandteil seien. Die Änderungen hingen mit den stetig wechselnden Vertragskonditionen der Roaming-Partner zusammen. Herr X sei auf der Homepage sowie bei Einreise ins Ausland über die aktuellen Tarife informiert worden. Daher könne Y AG nicht auf seine Forderung eingehen. Die Gebühr für die vorzeitige Kündigung sei korrekt und werde mit der Abschlussrechnung in Rechnung gestellt.

Herr X teilt Y AG mit Schreiben vom 7. Juni 2017 mit, dass er aufgefordert worden sei, die Rechnung zu bezahlen, obwohl er die internationalen Gebühren beanstandet habe. Mit Antwort vom 26. Mai 2017 gehe Y AG nicht auf die beanstandete Rechnung ein. Für den Anruf auf eine deutsche Festnetznummer seien ihm für 26 Minuten CHF 20.54 in Rechnung gestellt worden. Dies entspreche CHF 0.79 und nicht CHF 0.20 pro Minute. Ausserdem habe er gemäss Y AG-App nur 3 Minuten länger als die im Abonnement beinhalteten 60 Gratisminuten und nicht 26 Minuten länger telefoniert. Daher bitte er nochmals, die Rechnung zu überprüfen und zu berichtigen. Den Betrag von CHF 20.54 werde er von der Rechnung in Abzug bringen.

Auf dieses Schreiben geht keine Antwort von Y AG mehr ein, sodass sich Herr X erfolglos um eine Einigung bezüglich der bestrittenen Roaming-Gebühren sowie der vorzeitigen Kündigung bemüht und seinen Versuch zur Einigung Y AG glaubhaft dargelegt hat. Da auch die weiteren Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens erfüllt sind, ist der Ombudsmann zuständig, im Rahmen des Schlichtungsverfahrens zwischen den Parteien zu vermitteln.

D. ÜBERLEGUNGEN DES OMBUDSMANNS

1. Ausgangslage und Problemstellung

Im vorliegenden Schlichtungsverfahren geht es um die Frage, ob Herrn X der falsche Tarif für seinen Anruf nach Deutschland vom 19. April 2017 in Rechnung gestellt wurde. Weiter geht es um die Frage, ob die Änderung der Roaming-Tarife vom April 2017 eine einseitige wesentliche Vertragsänderung darstellt und Herr X seinen Vertrag ausserordentlich kündigen durfte bzw. Y AG die Kündigungsgebühren zu Recht in Rechnung stellte.

Der Ombudsmann prüft die Sach- und Rechtslage und stellt den Parteien einen Lösungsvorschlag zu.

2. Tarif für Anruf nach Deutschland

Herr X beanstandet die Rechnung Nr. xxx, datiert vom 10. Mai 2017. Darin wurde ihm für ein am 19. April 2017 geführtes Telefonat aus der Schweiz nach Deutschland, welches gemäss Rechnung 26 Gesprächsminuten gedauert hat, CHF 20.54 verrechnet. Herr X ist der Auffassung, dass auf diesen Anruf ein Tarif von CHF 0.20/Minute anwendbar gewesen wäre und nicht ein Tarif von CHF 0.79/Minute. Im Übrigen habe das Gespräch gemäss App der Y AG nur drei Minuten gedauert. Dem Ombudsmann liegen kein Auszug der fraglichen App und auch sonst keine Unterlagen neben der Rechnung vor, welche die genaue Gesprächsdauer dokumentieren. Er geht deshalb davon aus, dass die Gesprächsdauer tatsächlich 26 Minuten dauerte. Beim fraglichen Gespräch handelt es sich um einen internationalen Anruf, d.h. ein Telefonat in ein anderes Land. Internationale Anrufe sind immer aktiv - man ruft jemandem im Ausland an. Gemäss den Tarifen der Y AG sind internationale Anrufe ab April 2017 mit einer Gebühr von CHF 0.79/Minute belastet worden. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von Herrn X am 12. Dezember 2016 betrug der Tarif nur CHF 0.49/Minute. Der Tarif von CHF 0.20/Minute, welcher gemäss Herr X anwendbar gewesen wäre, bezieht sich auf die Roaminganrufe (d.h. eingehende und ausgehende Anrufe im Ausland). Der Tarif von CHF 0.20/Minute gilt für Anrufe, die in der EU und den USA, d.h. den Zonen A und B getätigt werden. Der Anruf, auf den sich Herr X bezieht, ist jedoch ein internationaler Anruf, er wurde nicht im Ausland, sondern von der Schweiz ins Ausland geführt. Bei Geltung der Konditionen bei Vertragsschluss wäre ein Tarif von CHF 0.49/Minute für internationale Anrufe anwendbar gewesen, ausmachend CHF 12.74. Die Y AG wandte den neuen Tarif (mit Geltung ab April 2017) an und verrechnete den internationalen Anruf zu CHF 0.79/Minute. Der im Mai 2017 in Rechnung gestellte Betrag von CHF 20.54 für ein Gespräch von 26 Minuten ist folglich korrekt, wenn man von der Gültigkeit des Tarifs von CHF 0.79/Minute ab April 2017 ausgeht.

3. Vertragsänderung

3.1. Prinzip der Vertragstreue

Es entspricht einem allgemeinen Grundsatz zum Vertragsschluss, dass Parteien an einen vereinbarten Vertragsinhalt gebunden sind, soweit sie nicht einvernehmlich eine neue Vertragsregelung vereinbaren. Nach Vertragsabschluss kann der Inhalt grundsätzlich nicht mehr einseitig durch eine Vertragspartei abgeändert werden. Rechnen die Parteien bei Vertragsabschluss mit künftigen Ereignissen oder Veränderungen, können sie dafür mit einer entsprechenden Klausel bereits eine Regelung, d.h. eine Anpassung des Vertrages vorsehen. Dadurch wird der einen Partei das Recht eingeräumt, vom erwähnten Prinzip der Vertragstreue abzuweichen und einseitig die Vertragsbedingungen zu ändern. Einer solchen Vertragsklausel hat der Kunde vorliegend mit Unterzeichnung des Vertrages zugestimmt, da die AGB als Vertragsbestandteil vereinbart wurde. Das Bundesgericht hat in BGE 84 II 266 E. 2 sowie jüngst in BGE 135 III 1 E. 2.5 festgelegt, unter welchen Voraussetzungen solche Anpassungsklauseln gültig vereinbart werden können. Solche Klauseln müssen sowohl das erwartete Ereignis als auch den Umfang der Anpassung erwähnen. Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen unter denen die Vertragsanpassung vorgenommen werden darf, bereits in den Grundzügen im Vertrag geregelt sein müssten. Soweit diese Kriterien in den AGB vollumfänglich erfüllt sind, könnte die eine Partei die Änderung durchsetzen - notfalls auch gegen den Willen der anderen Partei. Bei nicht klar definierten bzw. dem Bestimmtheitsgrundsatz zuwiderlaufenden Änderungsklauseln muss die eine Partei der anderen ein ausserordentliches Kündigungsrecht gewähren (BGE 128 III 428 E. 3 S. 429). Die mit der Änderung nicht einverstandene Partei kann auf diese Weise neue, ihr unpässliche Vertragskonditionen umgehen, indem das Vertragsverhältnis vor dem Inkrafttreten der Neuerungen aufgelöst wird.

3.2. AGB der Y AG

Die einschlägigen Bestimmungen der AGB der Y AG sehen zur Kündigung bei Vertragsänderungen Folgendes vor: „Y AG kann jederzeit die Dienste und/oder jegliche Teile des Vertrags ändern. Dies wird Ihnen in geeigneter Weise mitgeteilt, z.B. per SMS, Brief, E-Mail oder in einem Hinweis auf der Rechnung. Sollten Sie mit einer wesentlichen, für ihn nachteiligen Änderung nicht einverstanden sein, sind Sie berechtigt, den Vertrag innert 30 Tagen nach Mitteilung der Vertragsänderung schriftlich zu kündigen. (...)“. Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Änderung der Tarife für Roaminggebühren und internationale Anrufe eine wesentliche einseitige Vertragsanpassung zum Nachteil von Herrn X bildet.

Die Y AG stellt sich auf den Standpunkt, dass es sich bei den Tarifen für Roaminggebühren und internationale Anrufe nicht um Vertragsbestandteile handelt, deren Anpassung könne deshalb gemäss ABG jederzeit erfolgen. Es handle sich dementsprechend gar nicht um eine Vertragsänderung. Eine Mitteilung der Änderung der Tarife für Anrufe ins Ausland ist vorliegend unterblieben, weil aus Sicht der Y AG keine Vertragsänderung im Sinne der AGB vorliegt.

Die Roamingtarife und die Tarife für internationale Anrufe sind im Vertrag selbst tatsächlich nicht geregelt. Der Vertrag verweist unter der Rubrik «Tarif» auf das Abonnement Z. Aufgeführt wird «Alles unlimitiert in der Schweiz. 60 Minuten in die EU. 200 MB/Monat Surfen in der EU.». Das Fehlen einer Tarifregelung im eigentlichen Vertrag lässt sich indes nicht damit begründen, dass es sich nicht um einen Vertragsbestandteil handelt. Vielmehr sind Mobilfunkverträge modular aufgebaut. Sie setzen sich aus der Vertragsurkunde und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zusammen. Darüber hinaus finden sich weitere Anhänge wie Preislisten oder technische Spezifikationen. Der Grund für diesen zusammengesetzten Vertragsaufbau liegt in der Komplexität der zu regelnden Vertragsinhalte sowie der grossen Dynamik im Telekommunikationsumfeld, welche eine Anpassung der Vertragsbedingungen in vergleichsweise kurzen Zeitabschnitten erfordern (vgl. SIMON FAIVRE, Telekommunikationsverträge – ein Überblick, Aktuelle Juristische Praxis (AJP), 2005, S. 1239.). Die Roamingtarife sind entgegen der Auffassung des Anbieters nicht in der Vertragsurkunde erwähnt, weil sie nicht Vertragsbestandteil sein sollen, sondern weil die Vertragsurkunde und die AGB nicht in der gleichen Kadenz abgeändert werden können wie die Tarife angepasst werden.

Der Vertragsnehmer ist als Kunde der Y AG an die Roamingtarife und die Tarife für internationale Anrufe seines Anbieters gebunden und kann dies im Falle der Roamingtarife nur mit dem Kauf einer SIM-Karte im Aufenthaltsland umgehen. Die auf der Homepage der Y AG veröffentlichten Roamingtarife sind als Preislisten zu qualifizieren und stellen einen integralen Bestandteil des Vertrages dar.

Es stellt sich zudem die Frage, ob es sich bei Roamingtarifen und den Tarifen für internationale Anrufe um „Dienste“ handelt, die ebenfalls in den AGB erwähnt sind. Als Dienste sind gemäss Definition der AGB Telekommunikationsleistungen entsprechend den jeweiligen Produktinformationen zu verstehen. Die Tarife für die Roaminggebühren und für die internationalen Anrufe sind die Preise dieser Dienste und als Bestandteil der Telekommunikationsleistungen zu sehen. Sie fallen somit unter den Begriff «Dienste». Folglich ist die Änderung der Tarife für Roaminggebühren und Anrufe ins Ausland als Änderung eines Dienstes zu verstehen. Die Bestimmung in den AGB ist unpräzise und hält den Vorschriften über die Voraussetzungen solcher Anpassungsklauseln nicht stand, weil in den AGB weder das vom Kunden zu erwartende Ereignis (z.B. jederzeitige Tarifänderung), noch der Umfang der Anpassung (z.B. Tarife für Roaming und Anrufe ins Ausland) kommuniziert wird.

Die AGB der Y AG sehen des Weiteren vor, dass Informationen über Preise, internationale Roamingtarife und über kostenpflichtige Optionen auf ihrer Website und in ihren Verkaufsstellen erhältlich gemacht werden. Entgegen dem Vorbringen der Y AG, kann den AGB nicht entnommen werden, dass diese Tarife jederzeit angepasst werden können. Dies wird höchstens implizit angedeutet und ist für den Kunden nicht offensichtlich. Es ist zwar anzunehmen, dass die Y AG die Tarifänderungen tatsächlich, wie in der Stellungnahme dargelegt, auf ihrer Homepage aufgeschaltet hat. Dies kann vom Ombudsmann im jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht mehr überprüft werden. Die Ausführung der Y AG, sie habe den Kunden nach dem Kündigungsschreiben über alle Tarife aufmerksam gemacht, entspricht nicht den Tatsachen. Herr X wurde in der E-Mail vom 4. Mai 2017 zwar über die Leistungen seines Abonnements informiert, jedoch nicht über die Tarife für internationale Anrufe, die sein Kontingent von 60 Minuten überschreiten oder die in Zonen anwendbar sind, die nicht in seinem Abonnement enthalten sind. Hier wären die genauen Tarife oder ein Verweis auf die Homepage nötig gewesen, um die nötige Transparenz zu schaffen. Als problematisch ist insbesondere zu erachten, dass Herr X die Änderung der Tarife für Anrufe ins Ausland als Abonnent von „Z“ nicht mitgeteilt wurde. Gerade für Kunden, welche regelmässig internationale Anrufe tätigen, wäre eine solcher Hinweis nötig, da nach der Nutzung der 60 im Abonnement inkludierten Gesprächsminuten automatisch die mittlerweile höheren Tarife für Auslandsanrufe anwendbar werden.

Dem Ombudsmann ist bewusst, dass Tarifänderungen für die Telekommunikationsanbieter von verschiedenen Faktoren, die vorwiegend vom Markt vorgegeben werden, abhängen. Den Anbietern ist es deshalb nicht möglich in den AGB festzuhalten, in welcher Bandbreite Tarifänderungen vorgenommen werden. Der Ombudsmann vertritt jedoch die Meinung, dass es dem Anbieter zumutbar ist, den Vorbehalt von Tarifanpassungen klar und unmissverständlich in den Vertragsbedingungen festzuhalten. Genauso formulieren verschiedene grosse Anbieter in ihren AGB einen deutlichen Vorbehalt betreffend Änderung ihrer Preise. Auch eine Mitteilung der Tarifänderung an den Kunden, z.B. per SMS, Brief oder E-Mail ist durchaus gangbar, zumal die Tarife mittelfristig stabil sind. Eine Mitteilung drängt sich ferner auf, weil für die Kunden und Kundinnen nicht vorhersehbar ist, in welchem Ausmass bzw. Umfang eine Anpassung der Tarife zu erwarten ist.

3.3. Wesentlichkeit der nachteiligen einseitigen Änderung

Bei näherer Betrachtung des Abonnements von Herr X, dem durchschnittlichen Bezug seiner Leistungen und den Änderungen der Roaming-Tarife und der Tarife für internationale Anrufe, wird ersichtlich, dass er abstrakt von einer Änderung betroffen ist, wenn er internationale Anrufe in die Zonen tätigt, die nicht in seinem Abonnement berücksichtigt sind; wenn er die 60 Freiminuten für internationale Anrufe überschreitet, welche sein Abonnement für die Zonen 1 und 2 beinhaltet; wenn er sein Daten-Roaming Kontingent überschreitet und wenn er Roaming-Anrufe in Länder tätigt, in denen er nicht von einem Sondertarif profitiert. Herr X telefoniert gemäss seinen Abrechnungen jedoch fast ausschliesslich von der Schweiz in die Zonen, für die sein Abonnement 60 Freiminuten vorsehen. Herr X brachte vor, dass er von der Änderung trotzdem betroffen sei, weil er auch die Länder in den Abrechnungszonen C, D, E und F bereise und Roaming Anrufe tätige (zuletzt sei dies der Fall in der Abrechnungszeit von Mai 2016 gewesen). Diese Abrechnungen liegen nicht vor und können nicht in die Beurteilung einfliessen. Alles in allem ist Herr X jedoch weniger von den Tarifänderungen betroffen, als es Kunden der Y AG sind, die nicht das Abonnement «Z» abgeschlossen haben, da er von verschiedenen Tarifvergünstigungen profitiert. Herr X durfte sich nach hier vertretener Auffassung als Abonnement von „Z“ darauf verlassen, dass ihm eine Änderung der Tarife für Anrufe ins Ausland mitgeteilt und dass seine Beanstandung der Rechnung eingehend überprüft werden. Insgesamt ist deshalb nachvollziehbar, dass Herr X einen Vertrauensverlust in den Anbieter erlitten hat.

4. Ergebnis

Aus Sicht des Ombudsmanns ist die fragliche Änderungsklausel in den AGB nicht klar genug definiert – sie gibt keinen Aufschluss über den massgebenden Sachverhalt und den Umfang der einseitigen Änderungen. Die Möglichkeit des Anbieters jederzeit eine Tarifanpassung vorzunehmen, ist für den Kunden darüber hinaus auch nicht im Vertrag oder in den Rechnungen klar ersichtlich. Schliesslich werden die Tarifänderungen der Kundschaft auch nicht mittels direktem Kontaktkanal, sondern nur per Medienmitteilung und auf der Homepage zur Kenntnis gebracht. Obwohl Herr X von der Tarifänderung vorwiegend abstrakt betroffen ist, erscheint es dem Ombudsmann sachgerecht, dass die Y AG ihm entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung das vorzeitige kostenlose Kündigungsrecht gewährt. Folgerichtig müsste die Y AG das Inkassoverfahren zu ihren Lasten zurückziehen und vollumfänglich auf die Kündigungsgebühr verzichten.

Sollte die Umsetzung dieses Schlichtungsvorschlags bereits vor der beidseitigen Unterzeichnung ganz oder teilweise erfolgt sein, so gilt die Vereinbarung in diesem Punkt als erfüllt. Diesbezügliche Rechte und Pflichten fallen dahin.

E. SCHLICHTUNGSVORSCHLAG

  1. Die Y AG zieht innerhalb von 20 Tagen nach Erhalt der Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss des Schlichtungsverfahrens das Inkassoverfahren mit der Nr. OR xxx zu Lasten von Herr X vollumfänglich auf eigene Kosten zurück.
  2. Die Y AG beauftragt das Inkassobüro W AG innerhalb von 20 Tagen nach Erhalt der Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss des Schlichtungsverfahrens eine allfälligen mit dem Inkassoverfahren zusammenhängenden Bonitätsdatenbankeintrag von Herrn X löschen zu lassen.
  3. Die Y AG annulliert innerhalb von 20 Tagen nach Erhalt der Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss des Schlichtungsverfahrens sämtliche Forderungen gegenüber Herrn X im Kundenkonto xxx.
  4. Die Parteien erklären sich nach Erfüllung von Ziffer 1-3 per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt.
  5. Dieser Schlichtungsvorschlag wird von beiden Parteien freiwillig und ohne Schuldeingeständnis angenommen.

Bern, 12. Februar 2018

Dr. Oliver Sidler
Ombudsmann

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